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Landeshauptstadt: Hilfe an der Halskette

Sicherheitsgefühl gegen monatliche Gebühr: Die Johanniter bieten Notrufgeräte für zu Hause an

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Die 78–Jährige drückt auf den roten Knopf auf ihrem Kettenanhänger. Es piepst, es wählt, es knackt. Eine Stimme aus einem kleinen Kasten dringt in den Flur der Neubauwohnung: „Guten Tag, Frau Ryselski. Hier ist die Notrufzentrale. Geht es Ihnen gut?“ Dann schaltet sich Stefanie Rössel, Mitarbeiterin Sozialer Dienst bei den Johannitern, ein. Dies sei nur ein Test gewesen, erklärt Stefanie Rössel der Frau in der Zentrale und bedankt sich.

Änne Ryselski sitzt in ihrem gemusterten Wohnzimmersessel und lächelt zufrieden. „Das ist ja toll, dass man persönlich angesprochen wird“, ist die alte Dame in Kittelschürze sichtlich angetan. „Und dann die ruhige angenehme Stimme“ Seit März hat die Witwe jetzt das Hausnotrufgerät, „wegen des Sicherheitsgefühls“, sagt sie. Die 78-Jährige ist fit, hört und sieht für ihr Alter gut und kann sich selbst versorgen. „Aber ich bin erblich vorbelastet“, sagt sie. Ihre Großmutter und ihre Mutter hätten beide einen Schlaganfall erlitten und seien daran gestorben. Der Gedanke, hilflos in der Wohnung zu liegen und womöglich stundenlang auf Rettung warten zu müssen, mache ihr Angst. Und dann las sie von dem Johanniter-Angebot in der Monatszeitschrift ihrer Wohnungsgesellschaft. Für eine monatliche Gebühr von 17,90 Euro plus einmaligen Anschlusskosten hat sie jetzt den mobilen Hilferuf angemietet. Gewoba-Mieter bekämen die ersten beiden Monatsbeiträge erlassen. „Das wurde jetzt in einer Kooperation vereinbart“, erklärt Stefanie Rössel.

Der Notrufknopf ist in ein leichtes Kunststoffgehäuse eingebaut, das an eine Stoppuhr erinnert. Er kann wahlweise am Handgelenk oder an einem Band um den Hals getragen werden. „Ich finde die Kette praktischer“, sagt Änne Ryselski in schönstem Ruhrpott-Slang, den die gebürtige Gelsenkirchnerin auch nach einem halben Jahrhundert in Potsdam nicht abgelegt hat. Zur Erinnerung an die Bergmannstadt hängt am Eingang zur Stube eine alte Grubenlampe.

So lange sich Änne Ryselski in ihrer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung bewegt, hat sie das Gerät um. „Das merke ich kaum. Die Schnur aus Kunstfaser reibt nicht und schneidet nicht ein“, schildert sie den Tragekomfort. Der Sender habe eine Reichweite von 250 Metern, erklärt die Johanniter-Mitarbeiterin. Die Basisstation im Flur sei so empfindlich eingestellt, dass auch ein Gespräch durch verschlossene Türen hindurch möglich sei. „Aus dem Schlafzimmer oder der Badewanne kann ich also auch um Hilfe rufen“, übersetzt die Besitzerin des Hausnotrufgerätes, die außerdem auf die Tauchfähigkeit des kleinen Rettungsgerätes hinweist. Zwei Tage lang habe der Notrufsender bei seiner Entwicklung versuchsweise im Wasser gelegen und danach noch tadellos funktioniert.

Bisher seien gerade mal drei Mieter der Gewoba auf das Angebot eingestiegen, bedauert Stefanie Rössel. In Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming sei der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. der einzige Anbieter von Hausnotrufgeräten. Man habe sich die Gebiete mit anderen Organisationen, zum Beispiel dem Malteser Hilfswerk, aufgeteilt. In Potsdam nutzten derzeit 300 Menschen einen solchen individuellen Hausnotruf, etwa doppelt so viele seien es im gesamten Einzugsbereich des Regionalverbandes der Johanniter.

Die Mitarbeiterin Soziale Dienste nennt zwei Ursachen für den, wie sie findet, noch sehr zögerlichen Zulauf. Zum einen schrecke vielleicht der Monatsbeitrag ab, zum anderen vermuteteten einige durch die DDR Geprägte Abhörmöglichkeiten in den fein justierten Geräten. Tatsächlich könne die Zentrale in Berlin nur dann mit dem Hilferufenden kommunizieren, wenn sie angerufen werde. Jede Basisstation sei auch nur mit genau einem Notrufsender verbunden. „Selbst wenn mein Nachbar ein solches System zu Hause hat, kann ich nur meine Basis anpiepen“, erläutert Stefanie Rössel die ausgefeilten Sicherheitsmaßnahmen. Und was auch vielen noch nicht bekannt sei: Viele Krankenkassen akzeptierten das Hausnotrufgerät als Hilfsmittel und übernähmen die Kosten ab der geringsten Pflegestufe.

In dringenden Fällen könne sie einen solchen Notruf binnen 24 Stunden installieren, verspricht Stefanie Rössel. Sie ist es auch, die die Nutzer mit dem System vertraut macht. Nach dem Gespräch mit dem Neubesitzer gibt sie alle wichtigen Daten per Computer an die Zentrale. In dem Bericht seien Hinweise zur Lage der Wohnung, dem Allgemeinzustand des Teilnehmers, Vorerkrankungen, Medikamentengabe. „Damit im Fall der Fälle die ausrückenden Hilfskräfte Bescheid wissen – auch wenn die Person nicht ansprechbar ist.“ Das Gerät sei für alle Notsituationen gedacht: Beispielsweise auch dann, wenn Rauch aus der Küche dringt oder sich jemand an der Haustür zu schaffen macht. „Fehlalarme eingeschlossen: Uns ist lieber, jemand meldet sich einmal zu viel als im entscheidenden Moment nicht mehr“, sagt Stefanie Rössel.

Die Basisstation hat sechs Nummern der Notrufzentrale gespeichert und wählt sie im Notfall nach einander an, bis ein Freizeichen ertönt. In dem Moment springt auf dem Computerbildschirm in der Zentrale ein Fenster auf, in dem der Rufempfänger alle Angaben über den Anrufer auf einen Blick hat. Dann erst hebt er ab und sagt: „Guten Tag, Frau Ryselski “

Informationen zum Hausnotrufgerät über Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Regionalverband Potsdam-Mittelmark-Fläming, Tel.: (0331) 275 79 18.

Nicola Klusemann

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