Von Guido Berg: Hilfe aus einer Hand
Das Bergmann-Klinikum gründet ein Ambulantes Zentrum für Handchirurgie
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Horst Joppe, Fleischermeister aus Werder, kann nicht sagen, wie es passierte. Am 2. Februar dieses Jahres zersägte er gerade Knochen, mit einer Bandsäge. Früher wurden die Knochen zerhackt, aber da kamen Knochensplitter ins Fleisch, darum ist sägen besser. Der 63-Jährige muss „eine Sekunde lang nicht aufmerksam gewesen sein“. Es gab „einen kurzen Schlag und der Finger war mit weg“, trotz der Kettenhandschuhe, die Joppe trug. Der Zeigefinger der linken Hand hing immerhin „noch am Fleisch“; der Metzger wickelte ein Handtuch um Hand und Finger und ging zu seiner Hausärztin, die ihn in das Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ überwies.
Metzger Joppe ist nicht der erste Patient am Klinikum, dem Dr. Mojtaba Ghods den abgetrennten Finger erfolgreich wieder annähen konnte. Aber er gehört zu den ersten Patienten, die in der postoperativen Nachsorge in den Genuss kamen, im neuen Ambulanten Handzentrum Potsdams betreut zu werden. Gestern unterschrieben Mojtaba Ghods, Chefarzt der Klinik für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Mikrochirurgie und Handchirurgie, sowie Marit Kniesche vom Sanitätshaus Kniesche, Katrin Lesniak von der gleichnamigen Praxis für Physiotherapie sowie Marion Bohner von der gleichnamigen Praxis für Ergotherapie die Gründungsurkunden. Erstmals kann nun in Potsdam und der umliegenden Region die ambulante und stationäre Versorgung und Nachbehandlung handchirurgischer Eingriffe aus einer Hand angeboten werden, erklärte Ghods gestern vor Journalisten.
Das Ambulante Handzentrum Potsdam wird künftig 200 Quadratmeter im Poliklinik-Gebäude in der Hebbelstraße nutzen, dort, wo jetzt noch die Apotheke ihren Sitz hat. Der Umbau soll im Januar 2010 beginnen und noch im Frühjahr abgeschlossen sein. Neben neu eingestellten Handchirurgen wie Dr. Robert Grabs werden in diesem Zentrum der integrierten Versorgung der handchirurgischen Patienten jeweils zunächst ein Mitarbeiter des Sanitätshauses Kniesche und der beiden Potsdamer Praxen arbeiten. Zuvor sollen sie nach Aussage von Dr. Ghods noch eine spezielle vierwöchige Weiterbildung erhalten.
Eine schnelle effiziente Nachsorge, etwa im Nachgang einer Finger-Operation sei die Basis für einen Therapieerfolg, so Dr. Ghods. Wichtig sei, dass keine Behandlungslücke auftritt. Bisher verstrich oft viel Zeit, ehe der aus der Klinik entlassene Patient bei seinem Hausarzt war und von diesem zu einem Ergotherapeuten überwiesen wurde und dort irgendwann einen Termin bekam. So bestehe die Gefahr, dass ein angenähter Finger oder gar die ganze Hand bei einer unregelmäßigen Behandlung steif wird.
Die Handchirurgie hat sich dem Chefarzt zufolge zu einem Spezialgebiet entwickelt. „Früher hat das oft der Unfall-Chirurg gemacht“, so Dr. Ghods. Heute erhalte ein Unfallchirurg oder ein plastischer Chirurg noch eine dreijährige Ausbildung, ehe er als Handchirurg zugelassen ist. Auch seien besondere Instrumente wie Lupenbrillen notwendig, damit der Arzt das sehr feine Gewebe nähen kann. Eine Hand bestehe aus acht kleinen Handwurzelknochen, „wenn einer nicht funktioniert, bleibt die gesamte Handfunktion gestört“, so der Chefarzt.
Metzgermeister Joppe ist froh. Die Ergotherapie sei zwar sehr anstrengend gewesen, aber das Ergebnis könne sich sehen lassen. Auch Guido Neumann, dem Dr. Ghods zwei Finger wieder annähte (PNN berichteten), findet die Therapie aufwendig, aber lohnenswert. Immerhin kann der Gerüstbauer aus Satzkorn bald wieder fest anpacken.
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