Landeshauptstadt: Himmelfahrt nach Holland
Fast zwei Jahrzehnte besuchten niederländische Christen die Pfingstgemeinde
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Fast zwei Jahrzehnte besuchten niederländische Christen die Pfingstgemeinde Kirchen beherrschen seit Jahrhunderten die Silhouetten unserer Städte und Dörfer. Sie sind Zeugen einer geistig-kulturellen Entwicklung und offenbaren die Vielfalt des religiösen Lebens unterschiedlicher Konfessionen. Das gilt auch für die Landeshauptstadt Potsdam und ihre eingemeindeten Dörfer. Was aber geschieht heute in diesen Kirchen? Was bewegt die Menschen, die sich in einer Kirche zusammenfinden? Die PNN-Serie „Kirchliches Gemeindeleben“ geht diesen Fragen nach und versucht ein Bild zu zeichnen vom Engagement in den Kirchen der Stadt und ihrer neuen Ortsteile. Sie berichtet auch vom Zusammenspiel verschiedener christlicher Strömungen, die sich in der Ökumene wiederfinden. Heute: Die Pfingstgemeinde Von Nicola Klusemann Grenzübergreifende Beziehungen gehören wie selbstverständlich zum Christsein dazu. So ordneten die Landeskirchen im geteilten Deutschland einer Gemeinde im Westen eine im Osten zu. Berlin-Brandenburg war zum Beispiel immer verknüpft mit Baden-Württemberg. Eine außerhalb dieser geplanten Kontakte entstandene Freundschaft verbindet seit nunmehr zwei Jahrzehnten die Pfingstgemeinde mit niederländischen Christen aus Haren bei Groningen. Nach einem Jugendtreffen Anfang der 80er Jahre besuchten die Holländer immer an Christi Himmelfahrt ihre Glaubensschwestern und Brüder am Rande des KGB-Städtchens. Immer sei es bei den Treffen um intensive und gut vorbereitete im weitesten Sinne theologische Themen gegangen und nicht um „West-Paket-Überbringung“, erklärt Elisabeth von Goldbeck, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates Pfingstgemeinde. So sei es ihr überliefert worden, sagt von Goldbeck, die erst in den 90er Jahren nach Potsdam kam, und entsprechend erst nach der Wende „Himmelfahrten“ nach Holland unternahm. Nach dem Abzug der Roten Armee und der Freigabe der einst verbotenen Stadt am Neuen Garten zog es viele in die schmucke Wohngegend. Das sei natürlich auch in der Gemeinde spürbar gewesen, die heute 1200 Gemeindeglieder zählt. Große Sprünge mache die Zahl jetzt nicht mehr, schätzt die Vorsitzende. Das Gros der Häuser sei ja renoviert und bezogen. Der Ansturm auf die Pfingsteinrichtungen aber bleibe. So habe der evangelische Kindergarten jährlich 15 freie Plätze – im vergangenen Jahr von 60 Interessenten umworben. In der Grundschule der Pfingstgemeinde klafft eine noch größere Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage: Auf 40 Plätze kamen zum Beginn des vergangenen Schuljahres 140 Anmeldungen. Zum Einschulungsgottesdienst platze die kleine Kirche der Gemeinde regelmäßig aus den Nähten. Ein Teil der Besucher müssten die Andacht draußen über Lautsprecher mitverfolgen. Obwohl im Gotteshaus schöne Fenstermalerei und zeitweilig auch die von der Stift-Gründerin Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921) handsignierten alten Bibeln zu bewundern sind, sei es nie zu einer Tourismuskirche wie Nikolai- oder Friedenskirche geworden. „Wir haben das versucht und sie offen gehalten“, so Elisabeth von Goldbeck. Aber die Belvedere-Besucher hätten den Weg nach unten nicht gefunden. Das schöne Backstein-Ensemble der Pfingstgemeinde wirkt wie eine Dorfidylle. Soziale Brennpunkte seien weit entfernt vom Neuen Garten, stellte die Gemeinderatsvorsitzende fest. Da müsse man sich als Christ um Einsatzgebiete mühen. Das war in dem Potsdamer Stadtteil nicht immer so. Zu Zeiten von Kaiserin Auguste Victoria waren um den Neuen Garten zwar Villen „Gutbetuchter“ entstanden, in den zahlreichen Mietshäusern anderer Bereiche habe es bescheidene und teilweise an Armut grenzende Lebensverhältnisse gegeben, wie in einer kleinen Broschüre zur Pfingstkirche nachzulesen ist. Die Kluft zwischen Arm und Reich habe auch die tieffromme Monarchin erkannt und mit großem Eifer Spenden gesammelt sowie aus ihrem eigenen Privatvermögen den Neubau für das Stifthaus, in dem heute die Grundschule untergebracht ist, mitfinanziert. In ihrem Sinne wolle sich die Pfingstgemeinde weiter engagieren. Über die eigene Geschichte könnte die Gemeinde jetzt mehr erfahren. Zufällig habe man auf dem Dachboden des Gemeindehauses einen alten Schrank mit Kirchenbüchern und bergeweise Personalakten gefunden, erzählt von Goldbeck. Zur Aufarbeitung des wertvollen Materials müsste sich nun allerdings jemand finden, der die Unterlagen sichtet, bewertet und katalogisiert, ruft die Vorsitzende zur Mithilfe auf. Tatkraft ist auch beim alljährlichen Frühjahrsputz gefordert, wenn Kirche, Schule und Kindergarten auf Hochglanz gebracht werden. Das sei immer ein gemütliches Zusammentreffen, zu dem auch Leute aus der Nachbarschaft vorbeikämen, die mit Kirche sonst nichts zu tun hätten. Das große Putzen findet dieses Jahr am Sonnabend, dem 27. März, von 9 bis 13 Uhr in der Großen Weinmeisterstraße 49 statt.
Nicola Klusemann
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