Landeshauptstadt: Himmelfahrtsschoppen auf dem Alten Tornow
Grünes Reich auf Hermannswerder bietet Gartenfreuden, Wassersport und erneuerte Gaststätte
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Grünes Reich auf Hermannswerder bietet Gartenfreuden, Wassersport und erneuerte Gaststätte Von Erhart Hohenstein Hermannswerder. Wenn die Behinderten aus der Hoffbauerstiftung durch den „Alten Tornow“ spazieren gehen, werden sie von den Gartenfreunden freundlich begrüßt. Die betagten evangelischen Schwestern, die nach Jahrzehnten aufopferungsvollen Krankenpflegedienstes nun im Mutterhaus ihren Lebensabend verbringen, sind in der vereinseigenen Gaststätte gern gesehene Essengäste. In der Mangelwirtschaft der DDR-Zeit haben die Kleingärtner auch kostenlos Obst und Gemüse auf den Speiseplan der Stiftung gebracht, doch diese Vitaminspenden seien heute wohl nicht mehr so gefragt, meint der Vereinsvorsitzende Hansjoachim Schöning. Seit 2000 steuert der 69-jährige gelernte Elektromonteur, der zuletzt als Lehrmeister im „Carl von Ossietzky“ Werk Teltow und im Potsdamer Verkehrsbetrieb gearbeitet hat, die Geschicke der 186 Gartenfreunde, die 104 Parzellen am Judengraben bewirtschaften. Er ist gegenüber vielen seiner Kollegen in der beneidenswerten Lage, dass fast ausnahmslos alle Mitglieder ihren Ehrgeiz nicht in Swimmingpool und Liegerasen sehen, sondern meist sogar mehr als das vom Gesetz geforderte Drittel der Parzelle mit Gemüse bebauen. Zurzeit stecken überall die Frühkartoffeln ihr Grün aus dem Boden. Schöning braucht mit seinen Besuchern keine Haken durch die nach Blumenarten benannten Gartenwege zu schlagen – jede Parzelle ist vorbildlich in Schuss. Auch die der bereits 83-jährigen Anni Jakobitz, die täglich mit dem Fahrrad vom doch ziemlich weit entfernten Wohngebiet Stern auf den Tornow kommt. Für den Feineinsatz gegen das Unkraut sorgen hier vornehmlich die Frauen, und sie nehmen die machohaft klingende Bezeichnung „Gartenfräse“ ungerührt hin. So nennt scherzhaft auch Siegfried Lieberenz seine Ehefrau. Schon der Großvater des Mannes, der sich als Maler, Modellbauer und stadtgeschichtlicher Sammler einen Namen gemacht hat, führte in der 1928 unter dem Namen „Frohsinn“ gegründeten Sparte einen Garten. Lieberenz leitete als Bauverantwortlicher des Vorstandes 1977 den Bau des Vereinsheimes „Alter Tornow“. Die Gaststätte hatte damals keine Umsatzsorgen, zu den Gästen zählten unter anderen die Offiziere der auf Hermannswerder stationierten sowjetischen Einheiten, und die tranken bekanntlich „sto gramm“ Wodka. Seit der „Wende“ dagegen muss ein Pächter schon behagliche Räume und eine abwechslungsreiche Speisekarte bieten, will er sich behaupten. Auch der „Alte Tornow“ kränkelte trotz seiner idealen Lage am Wasser. Diese Krise ist nun ausgestanden, denn die Kleingärtner unterzogen die Gaststätte gemeinsam mit dem neuen, vom Reiterhof Tremsdorf gekommenen Wirt Manfred Schmidt in 400 Stunden ehrenamtlicher Arbeit einer Schönheitskur. Zum 75-jährigen Bestehen der Kleingartensparte wurde sie Ende vorigen Jahres eingeweiht. Seitdem finden auch die Spartenmitglieder wieder hierher. Hansjoachim Schöning nutzt die zurückgewonnene Attraktivität, um das Vereinsleben zu beleben. Himmelfahrt am 20. Mai steigt ein großer musikalischer Frühschoppen, ebenso ist ein Erntedankfest vorgesehen. Im Jubiläumsjahr wurde auch die Brücke über den Judengraben neu gebaut. Daran hatten die Alten Tornower großes Interesse, denn der Lärm von der unter den Fahrzeugen klappernden alten Holzbrücke störte ihren Gartenfrieden erheblich. Die zwei Parzellen, die für die Baustelleneinrichtung teilweise in Anspruch genommen werden mussten, wurden anschließend vom Bauherren inklusive Bepflanzung vorbildlich wieder hergestellt, wie Hansjoachim Schöning überhaupt des Lobes voll ist über die Zusammenarbeit mit dem Bereich Tiefbau der Potsdamer Stadtverwaltung. Zehn Bewerber um einen Garten hat der Vorstand derzeit auf der Warteliste, was keineswegs mehr die Regel ist. Neben idyllischer Lage und gepflegtem Zustand mag dazu beitragen, dass auf dem Alten Tornow die Kleingärtnerei mit dem Wassersport verbunden werden kann. Hier gibt es Liegeplätze für Boote, deren Anliegergemeinschaft auch Gartenfreunde zu ihren Mitgliedern zählt.
Erhart Hohenstein
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