Landeshauptstadt: Hip-Hop ins Finale
Was bei MTV und Viva getanzt wird, begeistert längst auch Ältere
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Was bei MTV und Viva getanzt wird, begeistert längst auch Ältere Von Karsten Sawalski Die Tanzgruppe „Five“N“One“ hat noch Großes vor. Am 13. Dezember nämlich werden die fünf Frauen und ein Mann in Hamburg beim Hip-Hop Deutschland Cup 2003 starten. Das Besondere daran: Die Tanzbegeisterten sind aus dem Alter längst hinaus, in dem sie noch für eine Deutschland-sucht-den-Superstar-Show gecastet werden könnten. Das Durchschnittsalter liegt bei 39 Jahre. „Ich muss nicht unbedingt Erster werden“, sagt eine der Damen, die sich auf die 50 Jahre zu bewegt und anonym bleiben will , „aber blamieren wollen wir uns auch nicht“. Schließlich wird die Tanzgruppe, die in der Altersklasse der „Jungsenioren“ an den Start geht, sich in der Hamburger Sporthalle vor etwa 3000 Zuschauern präsentieren müssen. Aber Angst vor einer Blamage müssen sie nicht haben, weil ihr Trainer Sven Seeger (30) selbst ein erfolgreicher Hip-Hop-Tänzer ist und seine Ziele ehrgeizig verfolgt. „An der Choreographie müssen wir noch arbeiten, die Bewegungen sollten noch zügiger werden, aber unsere Tanzbilder sind schon sehr anspruchsvoll“, sagt der Lehrer und treibt sein Team weiter an. Von der Anfangsaufstellung soll der gesamte Bewegungsablauf nochmal geprobt werden. Zwei Frauen hocken vorn, der einzige Mann stemmt die Hände lässig in die Hüften und die beiden Hinteren sollen einfach cool aussehen. Das aber dem Alter entsprechend. „Man kann die Posen der MTV-Kids nicht einfach eins zu eins übernehmen“, erklärt Seeger, „das würde lächerlich aussehen. Es ist auch nicht das Lebensgefühl des amerikanischen Hip-Hop, in dem die Männer als Gangster in Sporthosen und dicken Goldketten daher kommen und die Frauen sich leicht bekleidet zeigen, was die „Jungsenioren“ in den Aerobic-Raum der Fitness-Company in den Bahnhofspassagen treibt. „Tanzen ist mein Lebensgefühl“, sagt die Dame, die nicht genannt werden möchte, „Hip-Hop habe ich bei meinen Kindern gesehen und ich finde es faszinierend, welche Lebensenergie davon ausgeht“. Die 42-jährige Inge Ruth ist Lehrerin in Berlin und kann die Schüler mit modernen Tanzeinlagen beim Sportunterricht beeindrucken. „Mit Hip-Hop bekommt man auch die Jungs zum Tanzen“, sagt sie, „ansonsten gilt Tanzen bei denen immer noch als weibisch“. Für den Berufssoldaten Thomas Strubeck (33) ist das keine Frage, er hat schon immer leidenschaftlich gern in der Disco getanzt und nutzt das Training, um andere Bewegungsabläufe zu lernen und weil es ihm Spaß macht, „im Team zu tanzen“. Der Gruppenname ist von ihm entscheidend geprägt worden. „Five“N“One bedeutet nichts anderes als fünf Frauen und ein Mann und wenn der nicht da ist sind es fünf in eins“, erklärt der Trainer. Für Strubeck spielt es überhaupt keine Rolle, dass er als einziger Mann in einer Frauengruppe tanzt: „Außer dass Frauen doch beweglicher sind als Männer“. Insofern macht ihm das Alter schon ein wenig mehr zu schaffen. „Sven ist da noch beweglicher, weil er einfach einige Jahre jünger ist“. Die Tanzgruppe begibt sich wieder in die Ausgangsstellung, der Beat des 50-Cent-Hits „In da Club“ setzt ein, und Arme schnellen in die Höhe, Beine machen große Ausfallschritte, Körper verharren nur für Sekunden in angriffslustiger Stellung. „Hip-Hop ist härter als Jazzdance“, erklärt die Berliner Lehrerin, „beim Jazzdance sind die Bewegungen wesentlich weicher und fließender, Hip-Hop ist männlicher“. Alle Teilnehmer sind tänzerisch vorbelastet und haben daher auch keine Probleme mit den körperlichen Anforderungen. „Mit meiner 16-jährigen Tochter kann ich natürlich nicht mehr mithalten, die ist schneller und macht schwierigere Schritte“, sagt die 38-jährige Tina Staufenbiel, Sportlehrerin aus Potsdam, „ich habe sie aber über dieseGruppe erst zum Hip-Hop gebracht“. Grundsätzlich gebe es für den Hip-Hop-Tanz keine Altersbeschränkung, fügt Sven Seeger hinzu, allerdings bewegen sich die „Five“N“One“ schon auf einem sehr hohen Level und völlig untrainierte Leute sollten zunächst in einem Streetdance-Kurs anfangen, den Seeger ebenfalls leitet. Bevor die hoffnungsvollen „Jungsenioren“ beim Wettkampf in Hamburg starten, fährt der Trainer mit ihnen noch für ein Wochenende ins Trainingslager nach Senftenberg – ihren Auftritt müssen sie dann allein absolvieren. Und wie sieht er die Chancen? „Die können sogar in das Finale kommen, wenn sie sich anstrengen“, sagt Seeger.
Karsten Sawalski
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