
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Hitlers Irrsinn bei Salat und Schnitzel Ehemalige Flakhelfer feierten Klassentreffen
Den Einberufungsbefehl zur SS hatte der Vater noch vor den Augen seines Sohnes zerrissen. Aber der Einberufung zur Wehrmacht entzog sich der junge Fritz Mai aus Werder nicht.
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Den Einberufungsbefehl zur SS hatte der Vater noch vor den Augen seines Sohnes zerrissen. Aber der Einberufung zur Wehrmacht entzog sich der junge Fritz Mai aus Werder nicht. Am 1. März 1945 musste sich der Schüler in Brandenburg an der Havel zum Kriegsdienst einfinden. Doch er hatte Glück, überlebte die letzten Tage des Kriegsinfernos.
Eigentlich wolle er jetzt aber gar nicht mehr weiter über den Krieg reden, sagt Mai. Der Mittachtziger sitzt im Hotel Mohr in Alt-Töplitz, gemeinsam mit sieben ehemaligen Schülern der „Ersten Städtischen Oberschule“, einer Potsdamer Bildungseinrichtung, die bis zum Krieg in der Straße Am Kanal gegenüber dem einstigen Schauspielhaus beheimatet war und deren Nachfolger das heutige Humboldt-Gymnasium in der Heinrich-Mann-Allee ist. Mai und seine ehemaligen Mitschüler, alle so etwa Jahrgang 1926 bis 1928, veranstalten seit 16 Jahren jedes Jahr ein Klassentreffen, fast immer in Alt-Töplitz. Hier, in dem heutigen Ortsteil von Werder, hat früher einer ihrer Mitschüler gewohnt und die Treffen organisiert. Inzwischen ist er verstorben, doch der Treffpunkt blieb.
Ja, über Krieg wolle er nicht reden, sagt Mai an diesem Abend. Und doch ist der Krieg noch immer ein großes Gesprächsthema in diesem Kreis. Auch jetzt, im Juni 2013, sitzen die Kriegserlebnisse quasi mit am Tisch: Kinderlandverschickung – Mai war in der Nähe von Kolberg und Posen – und Flakhelfereinsatz. Bei Salat und Schnitzel wird Hitlers Irrsinn wieder ganz lebendig. Und dann sagt Mai einen Satz, der unter die Haut geht, „ein schrecklicher Satz, aber der stimmt“, wie er selbst sagt, nämlich „dass wir auch Mörder geworden sind, um zu überleben“. „Wir“, das sind Menschen aus der Flakhelfergeneration, damals bereit für den „Endsieg“.
„Immer wenn wir kamen, sind wir zu spät gekommen, das war unser Glück“, sagt Horst Kupper über die Flakhelfereinsätze, zu denen er mit Teilen seiner Schulklasse in Orte wie Schönwalde, Rüdersdorf oder Altenburg abkommandiert war. „Wir sind immer dort hingekommen, wo vorher Bombenangriffe waren.“ Doch der Wille, die Heimat zu verteidigen, war zumindest bei einigen der jungen Leute ungebrochen: „Ich wollte zu den Jagdfliegern“, sagt Hans Knappe, der heute in Jena wohnt. Kupper wurde im Januar 1944 als 16-Jähriger zum Einsatz als Luftwaffenhelfer eingezogen. „Wir haben Schulunterricht in der Stellung gehabt“, erzählt der heute 85-Jährige aus Birkenwerder. Das eigentliche Schulhaus in Potsdam hatte er, wie viele seiner Mitschüler, darum schon früh verlassen müssen. Und auch eine Rückkehr in das Schulgebäude, das er ab 1938 besucht hatte, gab es für ihn und seine Mitschüler nicht mehr. Beim Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 wurde die Kanalpenne, wie sie von den Schülern respektlos genannt wurde, völlig zerstört. HC
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