HEYES Woche: Hoffen auf Osterwunder
Ostern und das Wunder der Auferstehung liegt nun mehr als 2000 Jahre hinter uns. Da wird es Zeit für neue Wunder.
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Ostern und das Wunder der Auferstehung liegt nun mehr als 2000 Jahre hinter uns. Da wird es Zeit für neue Wunder. Schon ein paar kleine würden mir reichen. Vielleicht das Wunder vom Griebnitzsee. Nicht, dass es Hinweise gäbe, dass dort die Anwälte ihre Aktentaschen zuklappen, den Mindestlohn einstreichen und alles tun, damit der Zugang zum See wieder zugänglich wäre. Leider ist das nicht zu erwarten – ohne Enteignung geht es wohl nicht. Aber es wäre doch ein schönes Wunder, wenn sich auch die Anwälte zum Osterspaziergang rund um den Griebnitzsee aufmachten. Dort könnten sie unsereinen treffen und entspannt über die Leichtigkeit des Seins parlieren. Und das bei dieser Vorhersage: Sonne, Wasser, Licht – ein Osterwunder.
In Westdeutschland war einmal das Wirtschaftswunder zu bestaunen. Das gegenwärtig vorletzte Wunder war das der Einheit, das für viele seinen Zauber bereits verloren hat. Das letzte Wunder sahen wir, als hartnäckigste Atomkraft- Gläubige von einer Nacht zur anderen ihr Pfingstwunder erlebten. Aus Schwarz mach’ Grün, Schwuppdiwupp: ein Wunder. Gestern konnte die Brücke zur Brückentechnologie nicht lang genug sein. Heute ist sie der kürzeste Weg zwischen Ausstieg und Einstieg. Jetzt fehlt nur noch das Wunder von Gorleben und die Einsicht des bayrischen Landesvaters, endlich ein geeignetes Endlager zu suchen, das den Atomdreck eine Million Jahre aufnehmen soll oder wenigstens alle 500 Jahre umschichten.
Wie im Kleinen, so ein Wunder im Großen? Die Hungerflüchtlinge, die auf ihren Nussschalen vor Lampedusa landen, wo sie zusammengepfercht auf ihre Abschiebung warten oder auch mit einem befristeten Visum angstvoll im Zug nach Frankreich sitzen, um an der Grenze Italiens von französischen Grenzwächtern an der Einreise gehindert zu werden. Ein Desaster. Ein Wunder könnte helfen, eines, das das kalte Herz Europas erwärmen und den Flüchtlingen wenigstens einen freundlichen Empfang garantierte.
Und Deutschland wundert sich, dass immer mehr junge Menschen dem Land den Rücken kehren. Auswandern, weil sie – obwohl hier geboren, längst Staatsbürger geworden – es nicht mehr hören können, wenn sie als Mehmet oder Aische auf die Frage antworten sollen: „Und wann gehen Sie wieder zurück?“ Nein, Heimat geben wir nicht. Und so wird das Boot immer leerer, dafür aber auch immer älter. Wir könnten ja auch sagen: „Schön, dass Sie da sind!“ Das wäre ein Wunder. Frohe Ostern.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
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