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Rapper aus Syrien in Da-Vinci-Schule Potsdam: Hoffnung auf eine bessere Welt

Mohammed Abu Hajar singt in seinen Rapsongs gegen Diktaturen und Kriege an

Stand:

Wenn man mit dem Rapper Mohammed Abu Hajar spricht, kann man sich kaum vorstellen, welchen Albtraum er bereits erlebt hat. Locker tritt er auf, lächelt seine Gesprächspartner offen an und spricht mit fester Stimme. Erst wenn er Kostproben von seiner Musik gibt, sich in den schnellen Worten seines arabischen Raps verliert, merkt man ihm seine Wut an. Abu Hajar oder MC Abu Hajar, wie er sich in seinen Internetauftritten nennt, ist aus seiner Heimat Syrien geflüchtet und lebt nun in Berlin. Mit seiner Musik will er auf die Missstände in seiner Heimat, aber auch in anderen Ländern aufmerksam machen. Am gestrigen Montag besuchte er die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in Potsdam und erzählte Schülern der siebten, achten und zehnten Klasse von seiner Flucht.

Geboren in Tartus, einer kleinen Stadt an der Küste Syriens, wächst er in einer gut situierten Familie auf, hat Klavierunterricht, besucht die Schule und schließlich die Universität. Als er sein Studium beginnt, herrscht bereits seit 45 Jahren Diktatur in Syrien, die Menschen sind verängstigt und halten still, wie Abu Hajar sagte. „Ich habe damals einen Song geschrieben, der sich gegen die Privatisierung von syrischen Firmen aussprach“, erzählt er am Montag. „Auf einmal änderte sich alles für mich.“ Obwohl er den Song anonym im Internet veröffentlicht, wird er festgenommen, über mehrere Wochen im Gefängnis festgehalten und gefoltert. Einschüchtern lässt er sich davon nicht. Er produziert weiter Rapsongs, hält sich auch in der Uni nicht mit seiner Meinung zurück und wird daraufhin rausgeschmissen. „Es gab keine Solidarität von meinen Mitstudierenden oder anderen Leuten“, so der 28-Jährige. „Das war der Punkt, an dem ich fertig mit Syrien war und nach Jordanien gegangen bin.“

Als im Jahr 2011 die Revolutionen losgehen, kehrt er zurück, und engagiert sich mit den Oppositionellen auf der Straße. Dafür wird er wieder inhaftiert. Zwei Monate muss er Folter mit Elektroschocks und Schlägen über sich ergehen lassen, die ihn unter anderem ein paar Zähne kosten. „Ich lag für mehrere Tage festgemacht auf einem Tisch und bekam die Schocks“, sagt er. „In diesen Tagen dachte ich, ich würde sterben.“ Wie er erzählte, waren seine Gedanken in diesen Momenten vor allem bei seiner Mutter. „Ich habe daran gedacht, wie es ihr gehen wird, wenn sie von meinem Tod erfährt“, so Abu Hajar. „Es waren furchtbare Gedanken.“ Zwei seiner Zellengenossen überleben die Tortur – genauso wie viele andere Gefangene – jedoch nicht. „Selbst Kinder sind in Syrien nicht vor dem Gefängnis sicher“, sagt er und erzählt von zwölfjährigen Schülern, denen für nicht angepasste Parolen in der Haft die Fingernägel herausgerissen werden. Die Eltern haben ihre Kinder nie wieder gesehen. Nach seiner Freilassung engagiert Abu Hajar sich weiter und wird fast ein drittes Mal inhaftiert. Noch im Schlafanzug entkommt er den Beamten und flieht dann über den Libanon nach Jordanien und schließlich nach Italien, wo er seinen Master beendet. Inzwischen wohnt er in Berlin-Wedding und setzt von dort seinen musikalischen Kampf fort. Wie er sagte, habe er großes Glück gehabt, dass seine Eltern in der Lage waren, sowohl seine Flucht als auch das Studium in Italien zu bezahlen. „Tausende von anderen bedrohten Flüchtlingen haben dieses Privileg nicht“, so Abu Hajar. „Auch für die setze ich mich ein.“ Erst am Montag war er in Rom, am Samstag wird er auf dem Fusion-Festival in Lärz (Mecklenburg-Vorpommern) auftreten. Seine Stärke nimmt er aus der Hoffnung, etwas ändern zu können, wie er am Montag sagt.

Den Potsdamer Schülern möchte er vor allem zwei Dinge vermitteln: Erstens, dass er nicht aus Spaß nach Deutschland gekommen sei. „Keiner von uns gibt gerne seine Heimat auf“, so Abu Hajar. „Mein Vater ist in Jordanien, meine Mutter in Dubai – anders können wir nicht überleben.“ Und zweitens ruft er zum aktiven Mitmachen auf: „Richtet euch an eure Regierung, setzt euch für dafür ein, dass keine Waffen mehr an die Diktaturen geliefert werden“, sagt er mit Nachdruck. „Ihr habt hier das Glück, alles sagen zu können. Nutzt das!“ S. Kugler

S. Kugler

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