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Topfgucken beim Koch des Königs. Michael Adam alias Ferdinand Andrea Tamanti, der fiktive Küchenchef der Hohenzollernherrscher, weiht seit Saisonbeginn die Besucher der Schlösser in die Geheimnisse royalen Schlemmens ein.

© Andreas Klaer

Von Erhart Hohenstein: Hofkoch Tamanti

Fiktion mit historischem Touch: Michael Adam führt durch Sanssoucis Küchenreich

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„Bouillon Suppe, Kibitz Eier, Kapaun mit Austern, Grünebohnen mit Kalbsmilch, Kalbsnierenbraten, Kuchen, Compot, Salat“ – derartige Leckereien finden sich auf einem von Friedrich Wilhelm IV. selbst geschriebenen und mit Zeichnungen versehenen Speisezettel für ein alltägliches Mittagessen an der königlichen Tafel. Zubereitet wurde es in der Schlossküche Sanssouci unter Leitung des Hofkochs Ferdinand Andrea Tamanti.

Weiß gewandet, mit Kochmütze und Holzlöffel, begleitet er seit Saisonbeginn nun Touristen durch sein kulinarisches Reich. In der historischen Arbeitskleidung steckt der Potsdamer Universitätsangestellte Michael Adam, der seit 15 Jahren für die Schlösserstiftung Führungen übernimmt und als „M`Adam Berlin“ auch als Chansonnier auftritt.

Schauspielerisch verdiente sich Adam-Tamanti bei der Premiere der neuen Erlebnisführung Bestnoten. Was das Kochhandwerk betrifft, könnte er noch zulegen. Recht hat er, dass ein königlicher Hofkoch seine Rezepte nicht preisgibt, denn immerhin hatte er einen mit 4000 Taler jährlich dotierten Spitzenposten zu verteidigen. Aber wenigstens, was „gesotten, gebraten und gebacken“ wurde, sollte er erzählen – zumal dies im Führungsangebot angekündigt wird. Er erwähnte aber lediglich Leberknödel, die für die aus Bayern stammende Königin Elisabeth zubereitet worden sein sollen. Ihr zu Ehren wurde die unter ihrem Ehegatten Friedrich Wilhelm IV. im neu gebauten Seitenflügel des Weinbergschlosses eingerichtete Hofküche in den Farben Weiß-Blau gehalten. Die Königswitwe nutzte sie bis zu ihrem Tode 1873.

Detailliert ging Adam auf die zu Tamantis Lebzeiten neuartige Kochmaschine ein, mit durch Ringe regulierbaren Koch- und Bratstellen, Bratspießen für Singvögel, Wärmeschrank und Warmwasserblase. Im Weinkeller schilderte er die Vorliebe seines königlichen Dienstherren für Champagner, weshalb der mitunter auf Karikaturen als Flasche dargestellt wurde. Draußen im Park wies Tamanti auf die nicht erhaltenen „Fruchttreibereien“ und den unterhalb der Neuen Kammern mit Sponsorenhilfe wiederhergestellten Kirschgarten hin. Der Alte Fritz war stolz darauf, dass er seiner Mutter Königin Sophie Charlotte zum Geburtstag am 26. März bereits eine Schale frisch geernteter Kirschen überreichen lassen konnte. Dies alles wurde von Adam hochspannend erzählt, vieles davon ist aber auch in Büchern, Prospekten und auf Infotafeln in der Schlossküche nachzulesen. Von einer „Erlebnis“führung dürfte man etwas mehr erwarten.

Michael Adam räumt das ein und will weiter an der Tour basteln, beispielsweise indem er näher auf den oben genannten eigenhändigen Speisezettel Friedrich Wilhelms IV. eingeht und den Besuchern eine Kopie mitgibt. Am sichersten punkten kann Adam aber mit der Familiengeschichte der Tamantis. Ein Hofkoch dieses Namens existierte bei „FW IV“ nicht, er ist eine fiktive Figur, deren Rolle deshalb recht großzügig ausgelegt werden kann. Doch die Tamantis gab es in Potsdam tatsächlich. Ihren spärlichen Spuren ist Michael Adam, außergewöhnlich und achtenswert für einen Fremdenführer, mit hohem Zeitaufwand selbst nachgegangen. Der erste real nachgewiesene Tamanti war 1795 aus Italien als Eiskonditor am Hof Friedrichs des Großen eingestellt worden, seine Ehefrau (?) Batestella soll an der Berliner Oper gesungen und später der Königin Luise Gesangsunterricht erteilt haben. Dies vermerkt jedenfalls am 14. Mai 1869 der Anzeiger für das Fürstentum Ratzeburg in einer Notiz über den Tod der Sängerin im Alter von fast 100 Jahren. In die Geschichte ging die Familie aber vor allem durch den Sohn des ersten Tamanti ein, der Kammerdiener Friedrich Wilhelms III. war. Er wurde 1806, als die siegreichen Franzosen in Berlin und Potsdam einzogen, wegen seiner Sprachkenntnisse Napoleon als „Fremdenführer“ zur Verfügung gestellt. Darüber schrieb er einen Bericht, der eine wichtige Quelle über den Aufenthalt des Kaisers darstellt. Offensichtlich muss die Familie zu dieser Zeit in der Residenzstadt auch ein Café betrieben haben, denn der hier als Behördenangestellter tätige Alexander vom Marwitz meldete sich am 7. April 1812 brieflich bei seiner Freundin Rahel Varnhagen aus der Konditorei Tamanti in Potsdam. Dass sie sich am Platz der Einheit auf dem Grundstück des früheren Cafés Herbst befand, konnte bisher allerdings nicht nachgewiesen werden.

Die Führung mit dem Hofkoch erweist sich als lohnend sowohl für Touristen als auch für stadthistorisch interessierte Potsdamer. Das nächste „Preußische Küchengeschwätz“ findet am 23. Mai statt.

Erhart Hohenstein

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