
© Stefan Gloede
Baustellenbesichtigung: Hohe Erwartungen ans Bildungsforum
Riesiges Interesse bei Führung durch die Potsdamer Bibliotheksbaustelle.
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Innenstadt – Ein „besonderes Highlight für Leute, die gut zu Fuß sind“, hatte Bernd Richter, Werkleiter des Kommunalen Immobilien Services (KIS), am Samstag bei der Führung über die Baustelle des Bildungsforums anzubieten: den Aufstieg aufs Dach der Stadt- und Landesbibliothek. Der 88-jährige Gerhard Häring scheute die Treppe zur Aussicht über die Stadtmitte nicht. Seit 50 Jahren lebt der frühere Ingenieur in Potsdam, kennt die Bibliothek vor und nach der Wende. Lebhaft erinnert er sich an die Eröffnung des Neubaus der „Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek“ im Jahre 1974. Zwar sagt er: „Wir waren damals sehr zufrieden“, aber an ein neues Bildungsforum stelle das Publikum heutzutage viel höhere Anforderungen. „Ich qualifiziere mich für das Internet“, erzählt Häring. Er erwarte daher, dass er nach Eröffnung des Hauses im August 2013 hier die passenden Anregungen erfahre.
Fast identische Erwartungen äußert der 26-jährige Florian Rockel trotz des großen Altersabstandes zum wohl ältesten Besucher am Samstag. Rockel war mit seiner Freundin bereits zur ersten Führung um zehn Uhr gekommen und sagt: „Ich möchte erfahren, was es im Vergleich zu früher Neues gibt, vor allem interessieren uns die neuen Medien.“ Von diesen war jedoch nichts zu sehen. Bei der „Anmeldung“ mussten die Besucher gar unterschreiben, dass sie keine Haftungsansprüche stellen, falls sie auf der Baustelle verunglücken. Das Interesse war riesig; den ganzen Vormittag über liefen mehrere Führungen gleichzeitig.
Bibliotheksdirektorin Marion Mattekat, die mit einem kleinen Mitarbeiterstab schon in den nächsten Tagen einige Büros bezieht, versicherte: „Wir haben viel mehr als nur Bücher“. Die Bibliothekschefin erwähnt moderne Internet-Arbeitsplätze, Videospiele und das E-Book als Konkurrent des gedruckten Buches. „Aber wir haben auch eine tolle Schallplattensammlung im Magazin“, fügt sie hinzu. In das Haus solle vor allem Leben einkehren, und jeder dürfe sich wohlfühlen, denn „wir wollen kein Wissenspalast sein, in den sich niemand reintraut.“
Damit erfüllt Mattekat offenbar die Wunschvorstellung vieler Besucher. „Lesen und Kaffee trinken, im Internet surfen, unter Menschen sein“ war zu hören „Ich erwarte, dass ich mich hier als Rentnerin auch einmal den ganzen Tag über aufhalten und bilden kann“, äußert Lydia Wächter-Springer (71), die eine langjährige Bibliotheksnutzerin ist.
Das Bildungsforum ist mit Volkshochschule und Wissenschaftsetage schon von den Mietern her etwas Neues für Potsdam. KIS-Chef Richter lässt besondere Erwartungen an die Ausstellung des Vereins „Pro Wissen“ in der vierten Etage erkennen. Hier könne endlich in Erfüllung gehen, was als „Schaufenster der Wissenschaft“ schon lange auf der Tagesordnung der Universitätsstadt Potsdam steht. Mit seinen 9000 Quadratmetern Nutzfläche ist das Bildungsforum ein imposanter Bau. Viele empfinden den Solitär derzeit als Fremdkörper. In fernerer Zukunft sollen ihn aber historisch anmutende Gebäude an den beiden fensterlosen Seiten in die Stadtstruktur einbinden. „Wir sind mit der Fassade und der Rekonstruktion des DDR-Baus richtig umgegangen“, erklärt Richter den Besuchern im Magazinbereich. Derzeit füllt noch eine große Zahl leerer Rollregale diesen Saal. Schon beim Bau von 1972 bis 1974 sei die Statik auf die große Last der Bücherschätze berechnet. Abriss und Neubau wären geradezu verantwortungslos teuer gewesen. Das Gebäude sei wegen des sumpfigen Baugrundes auf über tausend 26 Meter tief eingerammte Betonpfähle gegründet. „Es wäre viel zu aufwendig, diese massive Konstruktion zu entfernen“, so der KIS-Chef.
Günter Schenke
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