Sport: Hohe Flüge, tiefe Stürze
Die Cheerleader aus Werder bereiten sich auf die Regionalmeisterschaft vor
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Es sind nur wenige Augenblicke. Nur ein kurzer Moment, in dem sie von ihrem Platz ganz am Rand auf die Bühne dürfen, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Und auch dann sind sie meist nur eine Nebenattraktion, quasi der Pausenclown, dem kaum jemand Beachtung schenkt. Wenn Cheerleader auftreten, rückt ihre sportliche Leistung, die sie neben dem Platz und auf der Matte bringen, meist in den Hintergrund. Anders war es am vergangenen Sonntag: Mehr als 100 Zuschauer sahen die dritte Generalprobe der Pirates, der Cheerleader von Grün-Weiß Werder. Es war der letzte Auftritt vor den Regionalmeisterschaften am kommenden Wochenende in Riesa – hohe Flüge und tiefe Stürze inklusive.
„Cheerleading ist ein absolut klischeebehafteter Sport“, sagt Stephanie Haferkorn, Trainerin und Cheerleaderin der Pirates, die auch die Werder-Handballer bei ihren Spielen anfeuern. Von Vorurteilen gegenüber angeblich schwulen männlichen Kollegen bis hin zu Pfiffen wegen kurzer Röcke hat die 23-Jährige schon alles erlebt. Aber da müsse sie drüberstehen, das einfach ignorieren, wie sie selbst häufig ignoriert werden, wenn sie mit ihrer Gruppe ihre spektakulären Choreografien umsetzen. Aus dem Cheerleading ist mittlerweile eine eigenständige Sportart gewachsen, die sich auch in Deutschland immer mehr etabliert. Auch die Pirates verfolgen nicht mehr nur das Ziel, das Publikum bei Sportevents zur Unterstützung zu animieren, wie man die englischen Begriffe cheer („anfeuern“) und lead („führen“) frei übersetzen kann, sondern stellen sich dem Wettkampf.
„Die Konkurrenz ist in den letzten Jahren rasend schnell gewachsen“, meint Stephanie Haferkorn, die schon seit 2001 Cheerleaderin ist, zunächst bei den Crazy Chickens und nach dem Zusammenschluss der Werderaner Cheerleadervereine 2005 bei den Pirates. Denn hinter dem „Herumgewedel mit den Puscheln“ steckt deutlich mehr, als einem vielleicht auch der eine oder andere amerikanische Teenie-Film weismachen möchte. Bei diesem komplexen Sport bestehen die Choreografien aus verschiedenen Turn-, Tanz-, Aerobic- und Akrobatikelementen.
In verschiedenen Altersklassen, bei den Peewees, wie die Jüngsten genannt werden, den Juniors und den Seniors, werden in zweieinhalb Minuten unter anderem Group- und Partnerstunts auf die Matte gebracht. „Das ist wenig Zeit, da kann es auch schon mal ziemlich hektisch werden, wenn man zeigen will, was man kann.“ Die Entwicklung der Choreografie ist dabei ein langwieriger Prozess, bei dem immer wieder etwas Neues, noch Spektakuläreres einstudiert werden soll. „Natürlich schaut man da auch, was die Konkurrenz macht, und lässt sich davon inspirieren“, so Stephanie Haferkorn.
Am Sonntag zeigten alle drei Mannschaften der Werderaner Pirates, was sie sich im vergangenen Jahr erarbeitet haben. Und waren die Zuschauer schon von den kleinsten Cheerleadern begeistert, so waren die spektakulären Flüge und mehrstöckigen Pyramiden der Seniors doch die Höhepunkte, auch wenn der eine oder andere Einsturz für die Trainerin doch überraschend kam. „Die Pyramiden haben wir noch nicht so gestanden, wie ich gehofft habe", sagt Haferkorn eine Woche vor den Meisterschaften, die zugleich den Saisonhöhepunkt bilden. Nach personellen Ausfällen mussten Änderungen noch kurzfristig einstudiert werden.
Mit 16 Sportlern gehören die Seniors eher zu den kleineren Gruppen, deshalb sei es schwieriger, überhaupt eine ausreichend gute Choreografie auf die Beine zu stellen, sagt Trainerin Haferkorn. Aber sie sieht auch Vorteile: Bei mehreren Pyramiden sei die Gefahr größer, dass eine „fällt“. Als Trainerin zielt sie mit ihrer Arbeit natürlich auf das bestmögliche Ergebnis ab, doch der Spaß steht immer im Vordergrund.
Bei den Meisterschaften in Riesa müssen sich die Seniors vor allem gegen zahlenmäßig größere Gruppen behaupten. Dort sieht Haferkorn auch Wettbewerbsvorteile. „Als kleiner Verein haben wir immer zu kämpfen und müssen um jede Hallenzeit betteln. Da haben es die größeren und professionelleren Vereine leichter“, sagt sie. Vor allem von Berlinern, die neben den Gruppen aus Sachsen-Anhalt und Sachsen antreten werden, erwartet sie am Samstag starke Konkurrenz. Bis dahin ist noch eine Woche Zeit, dem Auftritt den letzten Feinschliff zu verpassen und mit spektakulären Flügen zu punkten. Und dann ohne die tiefen Stürze.
nbsp;Chantal Willers
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