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Sport: Höhepunkt vor den Paralympics
Potsdamer starten bei Schwimm-Europameisterschaften der Behinderten
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Es ist das letzte große Ereignis im Schwimmen vor den Paralympischen Spielen 2012 in London: Am kommenden Freitag beginnen in Berlin die Paralympischen Schwimm-Europameisterschaften. Eine Woche lang kämpfen dann 450 Sportler mit Behinderung in verschiedenen Schadensklassen um Medaillen – mit dabei im Europa Sportpark werden dann auch drei Vertreter des SC Potsdam sein.
Die besten Chancen auf eine Medaille hat dabei Torben Schmidtke. Der 22-Jährige ist Mitglied des Nationalkaders und hat bereits einige internationale Wettkämpfe – teilweise sogar im Nichtbehinderten-Bereich – bestritten. Der gebürtige Mecklenburger, der erst vor Kurzem mit seiner Trainerin Dörte Paschke nach Potsdam wechselte, will bei den Europameisterschaften gleich in vier Disziplinen an den Start gehen. Seine Paradedisziplin sind die 100 m Brust. „Wenn ich da eine Medaille will, muss ich aber fast Weltrekord schwimmen“, dämpft er selber die Erwartungen. „Aber den vierten Platz, den will ich“, sagt er weiter. Im internationalen Vergleich belegt er nämlich derzeit den vierten Rang. „Wenn nichts schiefgeht, dann muss Torben sicher ins Finale kommen“, meint Trainerin Paschke.
Schmidtke, der einen nicht ganz ausgebildeten Arm und zwei missgebildete Beine hat, tritt über die 100 m Brust in der SB 6 an, was für „Schadensklasse Breast 6“ steht. Des Weiteren gibt es noch SM, was auf „Schadensklasse Medley“ zurückzuführen ist und Lagenschwimmen bedeutet. Die restlichen Disziplinen (Freistil, Rücken und Schmetterling) werden unter S zusammengefasst.
In einem langwierigen Prozess seit den Anfängen des Behindertensports 1948 hat sich ein System von derzeit international 14 Startklassen entwickelt. Es erfolgt dabei eine Unterteilung in körperliche, geistige und Sehbehinderungen. In Startklasse 1 werden die Schwerstbehinderten und in Klasse 10 die am leichtesten Behinderten gewertet. Sehbehinderte starten je nachdem, wie viel sie noch sehen können, in Startklasse 11 bis 13. Für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es die Startklasse 14. Somit gibt es für eine Disziplin, z. B. 100 m Brust, nicht nur einen Sieger, sondern für jede Startklasse einen.
Neben Schmidtke wird der 16-jährige Vincent Koch bei der EM für den SC Potsdam an den Start gehen. Der Berliner, dessen eine Körperseite gelähmt ist, wird aber vor allem das deutsche Juniorenteam verstärken. Er startet über 50 m Freistil und 100 m Rücken. Für den Schüler ist bereits die Teilnahme an der Europameisterschaft ein enormer persönlicher Erfolg.
André Lehmann ist der dritte SCP-Schwimmer, der in Berlin dabei sein wird. Der ebenfalls 16-Jährige hat in nationalen Wettbewerben zuvor drei Normen für die EM erfüllt und soll über 200 m Freistil, 100 m Rücken und 100 m Brust starten. Er liegt zwar in der Weltrangliste eher auf mittleren Plätzen, doch Überraschungen sind – vor allem in der Paradedisziplin 200 m Freistil – nicht ausgeschlossen. Dennoch ist Lehmann bei der EM vor allem dabei, um internationale Luft zu schnuppern. Die EM sieht Trainerin Schmidtke als Test an. „Unser Ziel ist ganz klar London 2012 – die Paralympischen Spiele im nächsten Sommer“, gibt sie zu verstehen. Dazu wechselt Lehmann zum kommenden Schuljahr extra an die Potsdamer Sportschule, um sich mit eigenem Förderplan, eigenem Sonderpädagogen und hartem Training gezielter auf London vorzubereiten. Das ist ein Novum, denn bundesweit ist Lehmann damit der erste Lernbehinderte, der eine Sportschule besuchen wird.
In Zukunft soll die Zusammenarbeit zwischen der Sportschule und dem SCP-Behinderten-Schwimmsport intensiviert werden, sodass auch künftig talentierte Athleten sehr gute Förderung erhalten. „Wir haben auch einige Mädchen in unserer Abteilung“, erklärt Paschke. „Aber die sind erst zwischen 12 und 13 Jahren“, fügt sie an. Für sie kommt London zwar noch zu früh, aber die Paralympics in Rio de Janeiro 2016 könnten ihre Spiele werden.
Anne Golombeck
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