Landeshauptstadt: Holmes im Schlossregal
Kronprinzliche Bibliothek in Cecilienhof wurde nahezu komplett erhalten
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Kronprinzliche Bibliothek in Cecilienhof wurde nahezu komplett erhalten „Wenn du das Buch willst stehlen, wirst du hängen an der Kehlen.“ Diese Drohung enthält eines der etwa 2000 Bücher der kronprinzlichen Bibliothek im Schloss Cecilienhof. Die russischen Besatzer haben sie wohl ernst genommen, denn während sie nach 1945 die wertvollen Gemälde, Porzellane und Silberbestecke als Kriegsbeute vereinnahmten und die in die Meierei ausgelagerten Möbel verbrannten, blieb die Bücherei in den mehr als 20 Wandschränken, die sich über die Bibliothek, das Rauchzimmer und das Schreibkabinett von Kronprinzessin Cecilie hinziehen, nahezu ungeplündert. Die Bibliothek war 1917, als Cecilie das neu errichtete Schloss bezog, aus dem Marmorpalais hierher umgelagert worden. Da der Bau bis 1945 von der Hohenzollernfamilie privat genutzt wurde, gab es kein Inventar. Erst 1963 machte sich eine Mitarbeiterin daran, die Bücher zu erfassen. Seit den 80er Jahren beschäftigen sich die Chefbibliothekarin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Hannelore Röhm, und Kastellan Harald Bernd mit dem Bestand. Die Ergebnisse ihrer Forschungen stellten sie am Dienstag und Mittwoch bei Spezialführungen vor, mit deren Erlös wird die durch einen Großbrand geschädigte Anna Amalia Bibliothek in Weimar unterstützt. Will man prachtvoll gebundene Ausgaben u.a. von „Brehms Tierleben“ nicht dazu rechnen, enthält die Bücherei keine bibliophilen Kostbarkeiten wie die friderizianischen Bibliotheken in Sanssouci oder im Neuen Palais. Sie weist jedoch das Kronprinzenpaar als literarisch hochgebildete Menschen aus. Ob historische Werke, vor allem zur Geschichte der Hohenzollern, ob Enzyklopädien, Biographien, Reisebeschreibungen oder Belletristik von Maupassant über Rilke sogar bis Conan Doyle („Sherlock Holmes“) – das Paar stand auf der Höhe seiner Zeit. Neben deutschsprachigen finden sich Werke in Englisch, Französisch und Russisch. Eine 60-bändige Ausgabe spanischer Erzählungen und Märchen war ein Geschenk des Madrider Königs an seinen Patensohn Prinz Louis Ferdinand. Sowohl Wilhelm als Cecilie haben ihre Erinnerungen niedergeschrieben. Hannelore Röhm entdeckte aber auch ein schmales Bändchen „Sommer an der See“ (1924), mit dem die musisch hochbegabte Kronprinzessin eine Probe ihres beachtlichen feuilletonistischen Talents gab. Dieses Büchlein wurde zur Inflationszeit zugunsten bedürftiger Familien verkauft. Eine Fundgrube stellen die Exlibris (künstlerisch gestaltete Bucheignerzeichen) und die Widmungen in den Büchern dar. Letztere zeigen auf manchmal bewegende Weise, wie eng die Kronprinzessin mit ihren Kindern verbunden war. Die Spezialführungen, die bisher mehr als 2000 Euro an Spenden einbrachten, enden heute und morgen, jeweils um 16.30 Uhr, in Schloss Glienicke mit der Vorstellung historischer Gartenliteratur. Cecilienhof-Kastellan Harald Berndt bietet jedoch auf Voranmeldung weiterhin Führungen durch die kronprinzliche Bibliothek an. Außerdem hat er gemeinsam mit dem Kaiserzeit-Spezialisten Jörg Kirschstein ein neues, großformatiges Bild-Text-Heft über Cecilienhof verfasst, in dem erstmals auch die Bücherei berücksichtigt wird. Es soll zu Saisonbeginn 2005 erscheinen. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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