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Landeshauptstadt: Hühner im Schulhaus

Die Geschichte der Potsdamer Eisenhartschule

Stand:

Die Elterninitiative „Wir bleiben eisenhart“ und die Schulkonferenz der Eisenhart-Grundschule haben in ihrem Widerstand gegen die Aufgabe des Standorts an der Kurfürstenstraße eine Atempause erreicht. Wie berichtet, will Oberbürgermeister Jann Jakobs darüber nunmehr erst im Juni entscheiden. Für dieses Jahr wurde die Schließung abgewendet.

3600 Unterschriften gegen die Aufgabe des Standortes zeigen, dass es dabei um mehr als ein schulverwaltungsinternes Problem geht. Vielmehr ist die Bildungseinrichtung auch stadt- und schulgeschichtlich von Bedeutung. Kurz vor seinem Tode hatte der Kaufmann August Friedrich Eisenhart (1773 -1846) in seinem Testament festgelegt, den größten Teil seines Vermögens für wohltätige Zwecke zu stiften, darunter 80 000 Taler zur Einrichtung einer Freischule für Kinder armer Eltern. Die Eltern mussten kein Schulgeld zahlen, die Lehrer wurden aus den Stiftungseinkünften entlohnt. Eisenhart unterstützte damit das Anliegen von Schulreformern wie Ludwig Natorp und Wilhelm von Türk, in Potsdam ein vorbildliches Elementarschulwesen aufzubauen und so auch Kindern aus ärmeren Schichten den Weg zu höherer Bildung zu öffnen.

Die Eisenhartsche Freischule wurde 1847 zunächst in der zwischen Am Kanal und Burgstraße gelegenen Garde-du- Corps-Straße eingerichtet, die es heute nicht mehr gibt. Ihre Gebäude wurden während des Bombenangriffs vom 14. April 1945 zerstört. Die sprunghaft wachsende Schülerzahl, hier wurden auch die Zöglinge aus dem Potsdamer Armenhaus unterrichtet, führte zu Klassenstärken bis zu 107 (!) Kindern und erforderte schon 1883/84 einen Neubau, für den der heutige Standort Kurfürstenstraße 51 ausgewählt wurde. Hier wurde die Mädchen- Eisenhartschule (Gemeindeschule III) untergebracht, 1900 folgten ihnen die Jungen (Gemeindeschule II), während die Mädchen in ein auf dem hinteren Teil des Grundstücks (Nr. 50) errichtetes Gebäude umzogen. Über die Jahrzehnte gab es eine verwirrende Vielzahl der Trennungen, Zusammenführungen und Umbenennungen beider Lehreinrichtungen, die stark den wechselnden Festlegungen der heutigen Schulentwicklungspläne ähnelt. Ebenso musste jede Verbesserung der Unterrichtsbedingungen hart erkämpft werden. „Ich bitte um einen Schlauch zum Besprengen des Schulhofes einen Tisch für chemische und physikalische Experimente Änderung des Abzuges in der Waschküche auf Grund der starken Rauchentwicklung“ heißt es unter anderem in einer langen Forderungsliste, die Direktor Günther 1902 der Schuldeputation übergab. Nachdem 1906 die neue Turnhalle elektrisches Licht erhielt, kämpfte sein Nachfolger Wilhelm Kußmann bis 1916, ehe auch das Schulhaus komplett an die Stromversorgung angeschlossen wurde. Im Winter zeigte das Thermometer in den Unterrichtsräumen 5 Grad, 1920 eingebaute Radiatoren brachten die Temperatur dann auf maximal 12 Grad.

1922 stolperten Kontrolleure des Hochbauamts über eine Hühnerschar, die der Rektor im Schulhaus hielt. Er brauche sie für die Ernährung seiner Familie, erklärte Kußmann, dessen Antrag auf Bau eines Stalls auf dem Hofgelände zuvor abgelehnt worden war. Bis September 1929 zog sich der Hühnerstreit hin, dann gab der Rektor auf. In seiner Schulchronik hat der inzwischen verstorbene ehemalige Eisenhart-Schüler Götz Ballosch viele solcher vergnüglichen, manchmal tragikomischen Geschehnisse festgehalten. Eine Armenschule blieb die Einrichtung allerdings nicht. Ab den 30er Jahren finden sich in den Schülerlisten auch Namen von adligen und bürgerlichen Familien.

In der DDR-Zeit hatte die Stadt ihren auf dem Alten Friedhof bestatteten Wohltäter, den Stadtrat und Stadtältesten August Friedrich Eisenhart weitgehend vergessen. Sein Geburtshaus Berliner Straße 3 wurde 1972 abgerissen. Das davor stehende Denkmal wurde nach längerem Hin und Her am Beginn der Eisenhartstraße wieder aufgestellt. Und auch die Eisenhartschule durfte ihren Namen nicht behalten. Zu dieser Zeit einmal mehr zweigeteilt – in die Polytechnischen Oberschulen 5 und 24 – wurden ihr 1976 die Namen „A.S. Makarenko“ (sowjetischer Pädagoge) und „N. K. Krupskaja“ (Lenins Lebensgefährtin) übergestülpt. Den Kampf um ihren Fortbestand führt sie nun wieder unter dem Traditionsnamen Eisenhart, den sie 1991 zurück erhielt.

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