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Homepage: Hürden als Aufgaben verstehen
Vom Jurastudium ins Präsidium der Universität Potsdam und weiter in den Brandenburger Landtag. Von Anna Mikulcová
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Wenn die Universität Potsdam in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert, schaut sie auch auf ihre Absolventinnen und Absolventen. Rund 80 Prozent von ihnen sind als Fachkräfte in der Region geblieben. In dieser PNN-Serie in Kooperation mit der Uni berichten einige nun von ihrem Werdegang.
Die ersten Semester während meines Jurastudiums an der Universität Potsdam fühlte ich mich oft allein und hatte das Gefühl, dass mir Steine in den Weg gelegt werden. Schon mein Studienstart 1995 verlief nicht ohne Hindernisse. Weil die Slowakei damals noch nicht zur Europäischen Union gehörte, wurde mein Abitur nicht anerkannt. Es hieß, ich müsse ein Jahr das Studienkolleg besuchen, um einen Studienplatz zu erhalten. Dies hätte für mich ein Jahr Zeitverlust bedeutet und das wollte ich nicht. Ich wählte eine pragmatische Lösung, fuhr zurück in die Slowakei, beantragte in Bratislava einen Studienplatz und kehrte als immatrikulierte slowakische Studentin nach Potsdam zurück.
Solche bürokratischen Hürden haben mich oft verunsichert, aber nicht von meinem Weg abgehalten. Heute ermutige ich junge Menschen, für ihre Ziele zu kämpfen und Hürden als Aufgaben anzusehen, an denen sie wachsen. Ich hatte das Glück, Menschen zu begegnen, die mich unterstützten. Dazu zählen Familien, wie die des ehemaligen Germanistik-Professors Joachim Gessinger und die des Altrektors Wolfgang Loschelder, die mir ihre Türen öffneten. Deren Hilfe bewirkte, dass ich mich schon bald selbst als Mitglied des Ausländerbeirates in Potsdam-Mittelmark für die Belange der hier lebenden Ausländer einsetzte. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Solidarität untereinander gaben mir Geborgenheit und Zuversicht in dem für mich damals noch fremden Land.
Nach meinem Studium und einem Referendariat am Landgericht Potsdam stand ich mit knapp 27 Jahren – gut ausgebildet und international aufgestellt – dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Doch nach den ersten 80 erfolglosen Bewerbungen plagten auch mich Zukunftssorgen. Der erste Job kam ein halbes Jahr später. Keine internationale Kanzlei, kein ministerieller Referentenposten. Nein, meine Alma Mater, die Universität Potsdam, rief. Ich arbeitete im Präsidialamt als Referentin für Lehre und Studium und war später am Aufbau des universitären Qualitätsmanagements beteiligt.
Die sehr formale und strukturelle Ausrichtung meines Jurastudiums war für meine Tätigkeit an der Universität ebenso hilfreich wie für meine derzeitige Arbeit als Fraktionsgeschäftsführerin bei Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag. Hier bin ich für organisatorische, administrative, personelle und finanzielle Angelegenheiten der sechsköpfigen Fraktion verantwortlich und unterstütze die parlamentarische Arbeit. Daneben engagiere ich mich ehrenamtlich, unterstütze als Mentorin junge Hochschulabsolventinnen beim Start in den Beruf oder gebe Studierenden Einblick in die Parlamentsarbeit. In der Heinrich Böll Stiftung im Bund mache ich mich für die politische Bildung stark, weil mir gesellschaftliche Teilhabe sehr am Herzen liegt. Seit einigen Jahren bin ich auch im Potsdamer Migrantenbeirat aktiv, gebe Menschen eine Stimme, die nicht wählen dürfen, hier aber ihren Lebensmittelpunkt haben. Wir kümmern uns darum, Migrantenfamilien in das soziale Umfeld einzubeziehen und die Bildungschancen für die Kinder zu verbessern.
Derzeit sind wir jedoch fast ausschließlich damit beschäftigt, Flüchtlinge unterzubringen, Deutschkurse zu organisieren, Kinder in Kitas und Schulen zu integrieren und Beratungsleistungen zu vermitteln. Es ist eine Herkulesaufgabe für die Stadt Potsdam, das Land, für unsere Gesellschaft. Um Kraft zu schöpfen und einen Ausgleich zu finden, singe ich in der Potsdamer Singakademie und freue mich, ganz nebenbei auch einen Beitrag zur Kultur der Stadt zu leisten.
Die Autorin ist seit Januar 2010 Fraktionsgeschäftsführerin bei Bündnis 90/Die Grünen im brandenburgischen Landtag.
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