Ausgesprochen KAPUSTE: Ich als König
Die PNN hat mich leider nie gefragt, was ich täte, „wenn ich König wäre.“ Also, ich stutzte im neuen Jahr den meisten Fernseh-Sportreportern rigoros die Flügel.
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Die PNN hat mich leider nie gefragt, was ich täte, „wenn ich König wäre.“ Also, ich stutzte im neuen Jahr den meisten Fernseh-Sportreportern rigoros die Flügel. Ich wäre nicht mehr gewillt, mich von ihnen bei Live-Übertragungen behandeln zu lassen, als wäre ich ohne ihr pausenloses Gequatsche zu doof, einem Spiel, einem Wettkampf zu folgen. Ich ertrüge es nicht mehr, den Schrott zu hören, den übereifrige Helfer für diese Herren zusammengetragen und -geschrieben haben.
Gleichgültig, was bei Fußballübertragungen auf dem Bildschirm geschieht, ich erfahre, wie oft der X bislang aufs Tor geschossen hat, wann der blaue Verein zum letzten Mal in einem September unentschieden gespielt hat, wie viel Kilometer die rote Mannschaft in der ersten Halbzeit gelaufen ist, wie oft der Trainer schon auf der Tribüne saß, dass der ehemalige Torjäger seit 455 Minuten kein Tor mehr geschossen, aber dafür zwölf Fouls ausgeteilt hat. Ich höre etwas zur Zweikampfquote, zur Passquote, zum Ballbesitz in Prozenten, wie viele Kinder der X hat und welche Frisur der Y beim letzten Mal trug, und dass seine zweite Ehefrau gestern beim Shoppen erkannt und um ein Autogramm gebeten worden war.
Bei alpinen Rennen hören sich die Kommentare an, als spielten die Reporter Wii. Mit atemloser Stimme kommentieren sie jeden Schwung, jeden Sprung, jedes Verkanten und jeden Stockeinsatz, garniert mit den sowieso eingeblendeten Zwischenzeiten. Ab und zu dürfen ehemalige Skiläufer/innen als Fachleute mitreden. Ihre wesentliche Qualifikation besteht in einem bayrischen Akzent à la Franz Beckenbauer – statt Saison sagen sie Seisohn, statt Chance Schaße.
Ganz schlimm ist es bei der Leichtathletik und da besonders bei den Läufen von 800 Meter an aufwärts. Nach Beendigung des Laufes sind uns die Spitzenläufer/innen wie Geschwister vertraut. Wir wissen, welche Schule sie besucht haben, dass sie keine Pizza mögen, mit wem sie befreundet sind, welche Nationalität sie gerade haben, ob sie schon mal ihre Schwiegermutter verprügelt haben, welche Schicksalsschläge und Verletzungen sie erlitten, wie oft sie gedopt haben und dass sie eigentlich sehr freundlich und bescheiden seien. Selbst die technischen Disziplinen werden nicht verschont. Wenn ein Speer durch die Luft fliegt oder ein Dreispringer einbeinig auf die Grube zuhüpft, es wird gequasselt.
Da Könige heutzutage nicht mehr absolute Herrscher sind, die alles verbieten dürfen, wäre ich schon zufrieden, wenn als Minimallösung Wolf-Dieter Poschmann ins ZDF-Archiv verbannt und dort gezwungen würde, in einer Endlosschleife all seine Sportreportagen anzuhören. Gerne würde ich mit Kurt Beck rufen: „Können Sie nicht einfach mal das Maul halten!“ Doch so etwas Unschickliches darf ein König nicht tun.
Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.
Eberhard Kapuste
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