Landeshauptstadt: „Ich bin ein bekennender Behinderter“
Der Behindertenbeauftragte Uwe Högemann scheidet aus dem Amt. Er engagiert sich ehrenamtlich weiter.
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Der Behindertenbeauftragte Uwe Högemann scheidet aus dem Amt. Er engagiert sich ehrenamtlich weiter. Herr Högemann, warum ist es wichtig als Behindertenbeauftragter auch Betroffener zu sein? Als ein Mensch mit Behinderung bringt man automatisch mehr Feingefühl für das Thema mit und wird von der Klientel als ihres Gleichen besser aufgenommen. Ich bin ein bekennender Behinderter, das macht Forderungen glaubwürdiger. Sie haben sich immer besonders für die Menschen mit Sensibilitätsbehinderung eingesetzt. Taten Sie dies, weil Sie selbst eine Hörschädigung haben? Meine Schwerhörigkeit war nur der Anlass. Ich habe immer dazu gestanden, dass ich mich besonders für diese Menschen einsetze, weil sie ansonsten keine Lobby hat. So wurde auf meine Veranlassung hin das Gehörlosenzentrum – eine Beratungsstelle – gegründet. Und das Hörtherapiezentrum Potsdam hat nun endlich, nach langjährigem Kampf, seine Arbeit aufgenommen. Was haben Sie darüber hinaus in ihrer elfjährigen Amtszeit alles für die Menschen mit Behinderung in dieser Stadt erreichen können? Alles, was geschafft wurde, ist nicht nur mein Verdienst, sondern auch der der von mir gegründeten Arbeitsgruppen sowie der Vereine und Verbände. Es wurde bereits 1993 das halbjährlich tagende Behindertenforum gegründet und jetzt gibt es auch einen Behindertenbeirat. Überhaupt muss sich die Stadt Potsdam nicht in Sachen Integrationsarbeit verstecken. Wie bewerten Sie die Akzeptanz in der Bevölkerung? Es hat ein Umdenken in den Köpfen stattgefunden – auch in denen der Betroffenen. Ändern kann sich nur etwas, wenn sich die Menschen zu Wort melden und ihre Probleme benennen. Andererseits darf man den Bogen nicht überspannen. Mit überzogenen Forderungen kann die positive Stimmung schnell umschlagen. Signal für einen deutlichen Paradigmenwechsel waren auch die 2003 im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung verabschiedeten Bundes- und Landesgleichstellungsgesetze. Obwohl sie nicht ganz meine Erwartungen erfüllten. Was hätten Sie sich gewünscht? Mehr Mitbestimmung. Es passiert leider noch viel zu oft, dass Dinge geschehen, ohne uns einzubeziehen. Stellt sich die Stadtverwaltung nach elf Jahren Lobbyarbeit immer noch stur? Am Anfang traf ich selten auf offene Türen, aber die Verwaltung ist lernfähig. So bekomme ich beispielsweise sämtliche Bauanträge auf den Tisch. Das galt übrigens auch für die Pläne zur Bundesgartenschau 2001. Darum ging die Potsdamer Buga als die behindertengerechteste in die Geschichte der Schauen ein. Auch der Verkehrsbetrieb lässt die Anschaffung von neuen Fahrzeugen von uns begutachten. Welche unerfüllte Aufgabe werden Sie Ihrer Nachfolgerin/ihrem Nachfolger überlassen? Ich habe es nicht geschafft, dass die Stadt ihren politischen Willen zu einem barrierefreien Potsdam erklärt hat. Wird Ihnen der Weggang schwer fallen? Ich habe noch nie geklebt und halte mich auch nicht für unersetzbar. Ich bin nach dem 30. Juni einfach weg. Bei so viel Arbeit in den Vergangenheit kann man doch nicht gleich abschalten Darum verschwinde ich für zwei Monate erstmal auf „meine Insel“ – ein kleines schmählich vernachlässigtes Grundstück mit Häuschen im mecklenburgischen Grevesmühlen. Das werde ich zu meinem Alterssitz umbauen. Dort oben werde ich auch das Lesen neu lernen und mich wieder an Belletristik heranwagen. In den letzten Urlauben hatte ich nur Zeit für Fachliteratur: Nachlesen, wozu ich in der Dienstzeit nicht kam. Und wo bleibt ihr unermüdliches Engagement für die Menschen mit Behinderung? Das wird ins Ehrenamt verlegt. Als Behindertenbeauftragte wahrte ich meine Unabhängigkeit, in dem ich keinem Verein, keinem Verband und auch keiner Partei beitrat. Jetzt werde ich Vorsitzender der Gesellschaft für integrative Hörrehabilitation e.V., die das Hörtherapiezentrum Potsdam betreibt. Das Gespräch führte Nicola Klusemann
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