Landeshauptstadt: „Ich bin eine Art Kommunist“
Der 22-jährige Jens Gruschka von der Linken ist jüngster Stadtverordneter. Erste Bilanz nach 100 Tagen.
Stand:
Jens Gruscka, du senkst den Altersschnitt in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung von 51 auf 49 Jahre. Woran liegt es, dass offensichtlich so wenig junge Leute in der Stadtpolitik aktiv sind?
Das hat mehrere Ursachen. Manche Stadtverordnete besitzen ihr Mandat jahrelang. So bilden sich politische Cliquen, die sich abschotten und junge Konkurrenten als Gefahr ansehen. Der junge Nachwuchs wird dann eher fürs Image benutzt, Verantwortung aber nicht übertragen. Auch ist es für junge Menschen in Ausbildung oder Studium schwer, die regelmäßigen Sitzungen mit dem Lehrplan zu koordinieren. Dazu ist Politik oft bürokratisch und eintönig, die formalistischen Zwänge wirken abschreckend. Ich muss mich auch mit Themen wie der Friedhofssatzung auseinandersetzen – aber das muss eben gemacht werden.
Nach etwas mehr als 100 Tagen als Stadtverordneter für die Partei Die Linke – klingt das nach Ernüchterung?
Nicht direkt. Aber eine gewisse Skepsis ist da. Denn ich merke, dass für „meine“ Themen, etwa die Zukunft der Jugendkultur, nur in Wahlkampfzeiten wirkliches Interesse besteht. Natürlich gibt es so Momente, die enttäuschend sind, wenn Entscheidungen lange dauern oder nicht durchzusetzen sind. So haben die Stadtverordneten einen Antrag abgelehnt, eine soziologische Befragung unter Potsdams Jugendlichen durchzuführen. Das zeigt, dass sich die Mehrheit der Stadtpolitik offenbar nicht mehr so intensiv mit dem Thema Jugend beschäftigen will wie im vergangenen Jahr. Aber den Antrag werde ich nun in veränderter Form noch einmal stellen.
Was sind deine weiteren Ziele?
Mir geht es kurzfristig vor allem um einen Ersatz für das Jugendhaus Spartacus und darum, dass das Archiv erhalten bleibt. Langfristig muss Potsdam seinen Umgang mit Soziokultur überdenken. Die Arbeitsgemeinschaft Alternative Jugendkultur Potsdam (AJKP) hat dafür einen hilfreichen Plan vorgelegt, in dem Punkte wie einfachere Förderung von Jugendprojekten enthalten sind. Darum geht es: Jugendliche brauchen mehr Förderung, gleichzeitig muss die Verwaltung ihnen mehr Freiräume lassen. Dafür muss die Stadt ihre Prioritäten ändern: Die Politik ist oft noch zu sehr auf die Vergangenheit ausgerichtet, etwa bei der Rehistorisierung der Innenstadt.
Kannst du ein Beispiel nennen?
Nehmen wir das studentische Kulturzentrum in der Hermann-Elflein-Straße: Natürlich ist klar, dass die Anwohner dort Ruhe haben wollen. Aber das kann nicht nur zu Lasten der jungen Leute gehen, die dort hingehen. An solchen Punkten müsste die Verwaltung im Sinne von Gleichberechtigung mehr auch die Jugendlichen unterstützen, was so bisher nicht passiert.
Ist es nicht vermessen, als Vertreter aller Jugendlichen zu sprechen?
Das bin ich nicht. Ich setze mich vor allem für die linksalternative Szene ein. Ich kenne da sehr viele Leute aus der Freizeit. So kann ich deren Sicht im Stadtparlament am Authentischsten rüberbringen. Und für das Archiv oder das KuZe setzte ich mich auch ein, weil ich dort wie andere Leute gern selbst hingehe.
Nun ist Die Linke wegen der Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament vielfach unterlegen. Ist das nicht auch für deine eigenen Ziele auf Dauer frustrierend?
Natürlich. Ich merke da schon eine Blockade der Stadtkoalition gegen uns. Ein Beispiel: Erst lehnen sie ein Bürgerhaus für Potsdam-West ab, nun gibt es einen Antrag der SPD auf eine abgespeckte Version. Das finde ich dreist, so lassen sie uns ihre Macht spüren.
Aber auch bei der Linken gibt es solche Dinge wie Fraktionszwang. Wie gehst du damit um?
Nein, den gibt es nicht. Alle Anträge werden offen besprochen. Und es gab schon oft genug Situationen, dass einzelne Stadtverordnete anders abgestimmt haben. Etwas anderes würde ich persönlich auch nicht mitmachen.
Ist der Posten als Stadtverordneter eigentlich nur ein Schritt zu einer Politkarriere?
Da habe ich keine konkreten Pläne. Ich finde Kommunalpolitik einfach attraktiv, weil Entscheidungen immer auch einen selbst betreffen. Und ich mag Potsdam als Stadt sehr.
Dass du für die Linke arbeitest, hat sicher aber nicht nur Potsdamer Gründe?
Ja. Denn grundsätzlich bin ich schon eine Art Kommunist. Allerdings schließe ich Diktaturen aus, das sind keine politischen Alternativen. Aber ich finde die Idee von Gleichberechtigung gut, die Freiheit von ökonomischen Zwängen ist wichtig. Dazu sollte Gesellschaft möglichst frei von Hierarchien funktionieren, das Gefälle von Politik und Bürgern sollte möglichst klein sein. Das erklärt wohl ebenso mein Interesse an Kommunalpolitik.
Das Interview führte Henri Kramer
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