Landeshauptstadt: „Ich bin einfach der Herbert“
Filmpark-Dekorateur und -Ausstatter Herbert Windmüller mag kein Chefgehabe
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Filmpark-Dekorateur und -Ausstatter Herbert Windmüller mag kein Chefgehabe Von Nicola Klusemann „Kann ich wieder arbeiten gehen?“ Herbert Müller schiebt die drei Schichten Jacken- und Pulloverärmel nach oben und schaut auf die Uhr. In der kurzen Pausen bleibt er stehen, schlürft schnell eine Tasse Kaffee schwarz. Ihn drücken die derzeit acht Baustellen, die auf dem zehn Hektar großen Gelände des Filmparks Babelsberg verteilt sind. In wenigen Wochen ist Saisonstart. Der gelernte Ausstatter und Dekorateur mit dem schelmischen Einstein-Gesicht ist auf Illusion spezialisiert. Mit 18 Leuten aus verschiedensten Gewerken wie Klempner, Dachdecker, Maler, Schreiner, Gerüstbauer, Zimmerer und Maurer baut er die kleinen Attraktionen für das Vergnügungsviertel der Medienstadt. Kleine Kapellen, Gruselszenarien und Folterkammern, Goldwäscherstraße und Tierfarm sind sein Metier. Seine erste Minikathedrale, insbesondere die Gewölbe aus Bauschaum, zeigt er als bescheidener Bewunderer der eigenen Kreativität vor. Herbert Windmüller weiß, dass das kleine Werk gelungen ist. Seine Ideen kritzelt er auf Papier und schlägt sie seinem Chef, dem Filmpark-Geschäftsführer Friedhelm Schatz, vor. „Alleingänge gibt es nicht“, das müsse schon alles abgestimmt und besprochen werden. Schließlich sei es nicht sein Geld, dass hier verbaut werde. Bevor der Mittsechziger seinen Arbeitsplatz vom Ruhrgebiet nach Babelsberger verlegte, hat er als Ausstatter bei vielen Fernsehserien mitgewirkt: „Ein Bayer auf Rügen“, „Für alle Fälle Stefanie“ Das Vagabundieren gehörte damals ebenso zu ihm wie ein zum kleinen Heim ausgebauter Lkw. Seine Familie – Frau, Tochter und Enkel – lebt bis heute in Nordrhein-Westfalen. Beziehung auf Distanz seit einigen Jahrzehnten. Wenn Windmüller in Rente geht, „das wird allerdings so schnell nicht passieren“, zieht es ihn wieder in sein kleines Häuschen nach Duisburg-Rheinhausen. In Potsdam hat er nur ein Zimmer mit Kochgelegenheit in der August-Bebel-Straße gleich gegenüber von seinem Arbeitsplatz. Er habe eine Reinemachefrau für die Hausarbeit. „Ein Mann allein verwahrlost bloß“, schmunzelt er. In die winzige Bleibe kommt er nur zum Schlafen. Auch während der Filmpark-Saison wuselt er nämlich über das Gelände, führt unauffällig kleine Reparaturen aus. „Ich muss raus, bei Wind und Wetter.“ Gegen den eisige Wind, der in den letzten Wintertagen über das Gelände fegt, schützt er sich mit vielen Pullis übereinander und Kerngesundheit. Außerdem halte er sich für absolut ungeeignet für einen Bürojob und – er könne ohnehin nicht lassen, was er mache. Die Welt der Phantasie aus Pappmaché, Styropor, Holz und Bauschaum ist die seine, eine Sucht. „Das ist wie Opium.“ Dass die Brandenburger ein schwieriges Völkchen sein sollen, wie man dem Mann aus dem Pott erzählte, als er dem Ruf von Friedhelm Schatz folgte, kann er nicht finden. „Ich fühle mich hier sauwohl“, erklärt Windmüller ohne Umschweife. Sein gutes Verhältnis zu seinen Leuten hat wahrscheinlich auch was mit seiner kumpelhaften Art zu tun. „Ich bin einfach der Herbert. Ich bin nicht euer Chef, sondern euer Kollege“, vermittelt er jedem Neuankömmling. Und er packt auch mit an. Die Hände in den Taschen, rumkommandierend, ist so gar nicht seine Art. Mit Chefgehabe könne er nichts anfangen. Das verderbe nur die Stimmung auf der Baustelle. Darum vermeide er auch unproduktiven Zank und Streit. Vielmehr säße er gerne Abends noch mit seinen Mitarbeitern zusammen. Alle kommen zu ihm, egal, ob ein Fünfzehnerbolzen nicht passt oder es Ärger mit der Freundin oder Frau gibt. Auch wenn Herbert nicht in allen Fällen einen Rat hat, so doch mindestens ein offenes Ohr. Vor wenigen Tagen hat sich Herbert Windmüller einen ganz persönlichen Wunsch erfüllt. Und das ist ein dunkelgrünes Mercedes Coupé, Baujahr 1970. Als Oldtimer eigentlich ein Museumsstück. „Dann muss man mich auch ausstellen“, scherzt der stolze Besitzer des schicken Flitzers. Vor Jahren habe er schon einmal das gleiche Modell gehabt und die Alltagstauglichkeit dieses Fahrzeugs erprobt. Der Windmüller-Benz wird also nicht für die sonntägliche Spazierfahrt aufpoliert, sondern vielmehr jeden Tag für alle möglichen Touren eingesetzt. Das müsse das gute Stück schon aushalten. Es wird zum Arbeitstier wie sein Besitzer, der mit fortschreitender Zeit immer häufiger auf seine Uhr schaut. Die unerledigten Aufgaben machen ihn unruhig. Ja, er kann jetzt wieder arbeiten gehen.
Nicola Klusemann
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