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SARAH KUTTNER: „Ich bin empfindlicher, als viele glauben“

Moderatorin und Autorin Sarah Kuttner über ein Leben ohne Fernsehen, aber mit Radio und Lesetour

Stand:

Wird Sarah Kuttner seriös?

Nein, wieso?

Wenn Du doch ab November „Radio nur für Erwachsene" bei Radio Eins machst?

Weil ich selbst auf die 30 zugehe.

Fühlst Du Dich erwachsen?

Ach, man fühlt sich ja nie wirklich erwachsen. Ich bin angenehm runtergekommen zu mir selbst in diesem Jahr, habe gelernt, mit mir selbst zufrieden zu sein. Ich war mit Klassikern beschäftigt: Freunde treffen, mit Freunden wieder wärmer werden und Zeit mit mir verbringen.

Das klingt alles aber sehr erwachsen.

Ich fühle mich im Kopf nicht irre erwachsen, aber ich bin ruhiger geworden. Und ich befürchte, dass es das ist, was jeder Sarah Kuttner vorwerfen wird, sollte ich wieder irgendwo zu sehen sein: Dass sie ja nicht mehr so ist wie früher.

Das könnte schon im November passieren, wenn „Kuttner & Kuttner“ startet. Wessen Idee war es, Vater und Tochter gemeinsam vor das Radiomikro zu zerren?

Meine war es auf keinen Fall. (lacht) Papa fand das seit Jahren eine schöne Idee. Mir war das aber lange eine Nummer zu groß. Ich hatte einfach Schiss davor. Radio ist halt komplett Papas Feld. Ich denke, ich fummele in seinem Bereich herum. Diese Zweifel muss Macken-Sarah mit sich selbst fertig spinnen.

Wie wird die Sendung nun aussehen?

Toll, aber unspektakulär. Wir machen eigentlich klassisches Talk-Radio. Der Reiz liegt halt darin, dass zwei Menschen, die verwandt sind, aber unterschiedlicher nicht sein könnten, über Alltag reden.

Vor dem Radiostart geht es wieder auf Lesereise, obwohl Du anfangs eine neue Tour ausgeschlossen hast. Warum nun doch?

Gegen Ende der ersten Lesereise war mir echt ein bisschen langweilig mit mir und dem Buch. Aber alle wollten, dass ich zum zweiten Buch auch eine Lesetour mache. Dann ist der Wunsch der Fans nach einer Best-Of-DVD groß geworden. Da habe ich mir überlegt, dass ich das vielleicht verbinde. Ich werde ein paar der schönsten Einspieler meiner Show zeigen und lesen. So muss ich mich nicht die ganze Zeit mit meinen Texten langweilen – und ich denke, die Leute sind ja schon groß, die können auch selber lesen.

Welche Gedanken kamen Dir, als Du die Showausschnitte ausgewählt hast?

Man wird tatsächlich melancholisch. Natürlich gibt es Sachen, wo ich dachte: Gar nicht mal so witzig, Sarah! Oder: Oh Gott, wie habe ich da ausgesehen! Es wird Momente geben, in denen ich vor Scham auf der Bühne rot werde. Aber es gibt auch ganz viele Sachen, wo ich beim Sichten dachte: Toll! Das war wirklich lustig, ich war wirklich lustig.

Trotzdem wurde die Show abgesetzt. Wie war die Zeit danach?

Der schwierige Teil war, zu überlegen, was will ich in Zukunft machen. Ich hätte nahtlos im Fernsehen sein können. Es kommen ziemlich viele Angebote aber die sind größtenteils scheiße. Da sage ich mir: Ey, dann eben nicht. Ich will sehr gern Fernsehen machen, aber nicht zu solchen Bedingungen. Und solange Deutschland immer noch diesen ganzen Comedy- Dreck sehen möchte, will es was anderes als ich. Wäre ich wie Mario Barth, wäre ich vermutlich erfolgreicher.

Ist da der eigene Anspruch zu hoch?

Frag mal meinen Therapeuten. (lacht) Da ist der eigene Anspruch so was von zu hoch – an andere und an mich selbst. Aber warum soll ich denn bitte nicht hohe Ansprüche haben?

Du giltst als jemand der – auch ungewollt – polarisiert!

Immer ungewollt!

Fühlst Du Dich missverstanden?

Ja, das häufig auch. (lacht). Ich habe nie mit Absicht polarisiert. Es gibt bestimmte Sachen, da finde ich wichtig, zu sagen, wie man sie findet. Das polarisiert dann. Darauf reagieren Menschen viel zu heftig. Die Leute sehen mich durchaus falsch.

Wann verkennt man Dich?

Ich bin ziemlich schüchtern, was fremde Menschen angeht. Ich gehe immer davon aus, dass die Leute mich sowieso fürchterlich finden und dann mache ich vorsichtshalber gleich zu. Ich bin zwar kein total verhuschtes Mäuschen aber einfach empfindlicher als alle immer glauben.

Magst Du dann Dein Publikum, schließlich sind das alles fremde Leute?

Klar. Da arbeite ich ja, da fühle ich mich halbwegs sicher. Vor allem bei Lesungen würde ich am liebsten zu jedem, der da sitzt, hingehen und sagen: Danke, dass Du für mich hierher gekommen bist. Da bin ich voller Liebe für jeden. Ich bin wirklich leicht zu rühren. Noch so ein Ding!

Dann darf sich das Potsdamer Publikum ja Hoffnungen machen

Ich habe mich bewusst für Potsdam und gegen Berlin entschieden, weil ich letztes Mal nicht in Potsdam war, und weil Berlin letztes Mal ein bisschen ähm steif war. Als die Frage aufkam, wo lesen wir als erstes, sagte ich sofort: Nicht in Berlin, aber in Potsdam.

Das Interview führte Kay Grimmer

Das Waschhaus und potsdambinich verlosen ein mal zwei Karten für die morgige Lesung, 20.30 Uhr, in der Schinkelhalle sowie das aktuelle Buch. Mailt mit Absender heute an potsdambinich@pnn.de.

Das Leben von Sarah Kuttner begann am 29. Januar 1979 in Ost-Berlin. Entdeckt wurde ihr Talent im November 2001 , als sie ein Viva-Casting gewann und fortan Moderatorin beim Musiksender war. Neben Ausflügen in die ARD wurde sie vor allem durch ihre eigene Show „Kuttner.“ bei Viva und später bei MTV bekannt. Zudem arbeitete die 28- Jährige als Kolumnistin für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress. Zwei Bücher hat sie veröffentlicht, in diesem Jahr erschien „Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart“ mit dem sie jetzt auf Lesereise ist. Ab 11. November startet sonntäglich von 21 bis 23 Uhr die Sendung „Kuttner und Kuttner“ auf Radio Eins: Dort teilt sie sich das Mikro mit ihrem Vater Jürgen Kuttner. pbi

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