Landeshauptstadt: Ich bin schon immer so
Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp über Erfolge und „scheinbare Niederlagen“ seiner Arbeit
Stand:
Herr Klipp, wollen wir zuerst über Ihre Erfolge oder über Ihre Niederlagen reden?
Soll es schnell gehen oder länger dauern?
Sie meinen, mit den Niederlagen sind wir schnell durch?
Ja, das geht schnell.
Also, eine Niederlage ist sicher, dass Sie beim Umbau der Bibliothek nicht mitreden dürfen – es sei denn „in enger Abstimmung mit dem Oberbürgermeister“, wie die Formel lautet.
Da habe ich ganz heftig mitgeredet. Es war nur so, dass ich relativ spät nach Potsdam kam. Bestimmte Sachen waren einfach schon entschieden. Das ist nicht nur bei der Stadt- und Landesbibliothek so. Vielleicht sollte ich mir beim nächsten Mal überlegen, ob ich bei Sachen, die abgeschlossen sind, doch noch mal meine Meinung darüber sagen muss.
Sie sprechen Ihre berühmte, versehentlich zu den Medien gelangte E-Mail an, in der sie die städtebaulichen Probleme des Bibliotheksumbaus aufs Korn nahmen.
Diese E-Mail ist entstanden in einer emotionalen Nachtschicht. Ich hatte mich über den Verlauf einer Veranstaltung sehr geärgert. Die E-Mail ist nun passiert, aber ich würde nicht sagen, dass das eine Niederlage ist.
Mit dem Neubau der Alten Post entsteht auch etwas, von dem ich hörte, dass Sie es nicht mögen.
Ich habe mich, außer im engen Kreis am Ende des Fassadenworkshops, bisher nicht öffentlich dazu geäußert. Ich finde den Entwurf, der dort gekürt worden ist, nicht gut. Ich denke, dass das kein konsequenter Entwurf ist. Es ist weder Fisch noch Fleisch. Man muss sich an dieser Stelle – Yorckstraße Ecke Friedrich- Ebert-Straße – klar entscheiden. Will man eine Rekonstruktion, wenn man der Meinung ist, dass die Alte Post so wichtig ist für das Stadtbild wie die Gebäude des Leitbautenkonzepts? Oder hält man das nicht für erforderlich? Dann muss es auch möglich sein, einen moderner Entwurf zu realisieren, der vielleicht die Formensprache der Alten Post aufnimmt, aber unzweifelhaft ein moderner Entwurf ist. Der Workshop-Entwurf, mit einem auf Lamellen aufgedampften Bild der Alten Post, ist für mich nichts Halbes und nichts Ganzes. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie dieses Gebäude altert. Womöglich sagt ein späterer Eigentümer, die Lamellen sind baufällig, ich demontiere sie einfach mal. Was haben wir denn dann?
Dann ist das Gebäude nackt.
Das Entscheidende wird sein, einen Bauherren zu finden, der die Alte Post rekonstruieren will. Dann hat diese Ecke noch eine zweite Chance. Die Pro Potsdam sollte sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, den Neubau von preiswerten Wohnungen. Bankfilialen zu realisieren gehört nicht zu ihrem Kerngeschäft.
Muss ein Käufer auch den Abriss des „Haus des Reisens“ mitbezahlen?
Ich weiß, dass die Pro Potsdam einige Kosten auf der Uhr hat. Das ist Sache von Verhandlungen der Pro Potsdam und einem Bauherren.
Wir haben nun einige Probleme genannt, für deren Lösung Sie zu spät kamen
Da können Sie die neue Synagoge gleich hinzuschreiben.
Mit dem Entwurf sind Sie auch nicht glücklich?
Nein, überhaupt nicht. Ich finde, dass der Entwurf nichts Einladendes, nichts Feierliches, nichts Sakrales hat, dass er eher abschottet und abschreckt. Warum nicht der zweite Wettbewerbssieger den ersten Platz bekommen hat, verstehe ich überhaupt nicht. Der hat eine ganz andere Ausstrahlung.
Der wäre teurer gewesen.
Das mag ja sein. Aber ich baue doch an dieser Stelle nicht nur einen Kostenrahmen. Das wird ein Bau, der sehr lange stehen wird und diesen Stadtraum sehr lange bestimmen wird. Ich finde die Jury-Entscheidung ausgesprochen bedauerlich. Ich glaube, es findet sich niemand, der behauptet, dass das ein feierlicher, einladender und schöner Entwurf ist.
Eine wirklich von Ihnen selbstgemachte Niederlage ist doch die Sache mit der Denkmalabschreibung bei Dachgeschossausbauten.
Überhaupt nicht. Die Presse versucht nun darzustellen, dass der Erfolg des Abbaus des Antragsstaus nur auf diesem Wege möglich und im übrigen unrecht war. Dabei ist das in der Klärung mit dem Kultusministerium. Im Januar führen wir die Gespräche zu Ende und dann werden wir sehen, wer da recht hat in der Auslegung der Bescheinigungsrichtlinie. Das war nicht nur keine Niederlage, sondern ein großer Erfolg der Bauverwaltung, den Antragsstau bei der Denkmalabschreibung innerhalb der vorgegebenen Zeit abzubauen. Freilich habe ich die Gesamtverantwortung übernommen, wohl wissend, dass es da ein Restrisiko gibt. Aber diese Verantwortung war auch nicht zu delegieren auf meine Mitarbeiter: Das musste entschieden werden. Und ob sich die Entscheidung als falsch herausstellt, werden wir erst noch sehen. Ich glaube, dass es gute Gründe dafür gibt, die Entscheidung, ob ein Dachgeschossausbau abschreibungsfähig ist, nicht auf der Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung des Bauherren zu fällen.
Nun vielleicht zu den Erfolgen
Was? Weitere Niederlagen fallen Ihnen nicht ein?
Nun gut, auch wenn Sie nichts dafür können: Sie haben noch Krampnitz am Hacken und die Querelen um das Landtagsschloss Werden Sie eigentlich die acht Jahre als Baubeigeordneter der Boomtown Potsdam durchhalten?
Selbstverständlich.
Sie haben verdammt viele Bälle in der Luft.
Ich versuche immer noch mitzubestimmen, welche Bälle von anderen und welche von mir in die Luft geworfen werden. Eine große Anzahl von Bällen in der Luft habe ich selber hochgeworfen. Krampnitz – den Ball haben wir hochgeworfen. Da hätten wir auch sagen können
Abwarten und Tee trinken
sollen doch der Landtags-Untersuchungsausschuss und der Rechnungshof prüfen, so lange machen wir in der Stadt Dienst nach Vorschrift. Bestimmte Bälle muss man in die Luft werfen, da gehören sie hin.
Ist Krampnitz eigentlich noch die Wohnreserve in Potsdam?
Krampnitz wird als Wohnstandort komplett überschätzt. Das liegt viel zu weit draußen; das ist kein integrierter Standort. Das war das erste, was mir aufgefallen ist. Ich habe mir Ende 2009 die 120 Bebauungspläne zeigen lassen – und bei Krampnitz habe ich gesagt: „Stopp, den verstehe ich nicht.“ Vor dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenerweiterung“ ist das kritisch zu sehen. Dann habe ich mir die städtebauliche Rahmenvereinbarung angesehen, habe auch einmal ins Grundbuch geschaut
Im Grundbuch tauchte kein einziger dänischer Name auf?
Ich kenne die Thylander Group, ich kenne ihr Suchprofil. Mir war schnell klar, dass die nicht hinter Krampnitz stecken kann. Das habe ich dann verifiziert. Der Rest ist wie ein Puzzle, man kann es sich zusammensetzen. Aber auch das ist ein großer Erfolg: Die Stadtverordneten haben einstimmig für vorbereitende Untersuchungen zu Krampnitz gestimmt. Und die TG Potsdam hatte massiv versucht, Einfluss zu nehmen auf die Stadtverordnetenversammlung. Toll, dass das überhaupt keine Wirkung gezeigt hat.
Ich merke schon, Sie würden jetzt gern zu Ihren Erfolgen kommen
Wir können auch gerne bei den scheinbaren Niederlagen bleiben.
Vieles ist Ihrer Impulsivität geschuldet, was zu schlechten Schlagzeilen führt (Zwischenruf der anwesenden Stadtsprecherin Regina Thielemann: „Richtig!“)
Mich gibt es nicht à la carte. Ich bin schon immer so. Es wäre aber auch schwierig, diese Bauverwaltung mit Tinte in den Adern zu führen und nicht mit Herzblut. Ich kann nur so. Ich bin so.
Wir Journalisten kritisieren ja Politiker, die nur den Amtsschimmel reiten.
Ja, da müssen Sie sich mal entscheiden. Wollen Sie lieber so einen Typ haben wie (Regina Thielemann: „Keine Namen!“) wie „keine Namen“ oder wie mich. (alle lachen)
Also, mit dem Gestaltungsrat beginnt ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte.
Der Rat arbeitet ganz furios und ich glaube, wir haben da genau die richtige Mischung gefunden. Die Vorsitzende Ulla Luther ist eine großartige Persönlichkeit. Da sitzen ganz wunderbare Fachleute in dem Gremium.
Der Gestaltungsrat wird hoffentlich die Akzeptanz von Architekturentscheidungen in Potsdam erhöhen.
Das kann ich nur hoffen. Es wird aber auch den Qualitätsanspruch der Bauherren an sich selbst erhöhen. Im Gestaltungsrat abgebürstet zu werden, wer möchte das schon? Die Latte ist durch den Gestaltungsrat ein Stück höher gelegt worden.
Ein Erfolg ist ohne Zweifel auch das Leitbautenkonzept.
Das würde ich auch so sehen. Der Erfolg hat sich vor allem dadurch eingestellt, in dem wir bei der Ausschreibung eine entsprechende Resonanz am Markt erfahren haben. Und dass sich vor allem das Prinzip der Kleinteiligkeit der Grundstücke als erfolgreich herausgestellt hat. Das hat mir schlaflose Nächte bereitet, bis ich die ersten Zahlen zu den Bewerbern kannte. Es haben sich gerade auf die kleinen Grundstücke in der neuen Mitte eine Vielzahl von Bürgern dieser Stadt beworben. Das zeigt, dass die Abkehr von diesen Großprojekten, die nur die üblichen Drei in Deutschland realisieren können, richtig war. Das war eine politische Entscheidung. Die Abkehr von diesem Blockdenken kam aus der Bauverwaltung. Da haben wir die Deutungshoheit zurückgewonnen. Früher entstanden die Konzepte woanders und die Bauverwaltung wurde vor sich hergetrieben.
Dass der neue Bebauungsplan für den Griebnitzsee vorliegt, ist auch schön.
Aber das kann noch zu einer wirklichen Niederlage werden. Das steht angesichts der Kosten politisch wirklich auf der Kippe. Zwei Fraktionen haben bereits gesagt, dass sie das planerische Ziel nicht mehr verfolgen werden. Wenn der Ankauf von Bundesgrundstücken der Bima nicht gelingt, könnte das der Einstieg in den Ausstieg sein. Es wäre auch ein ganz schlimmes politisches Signal, wenn die kommunale Planungshoheit an finanziellen Hürden scheitert, die von reichen privaten Eigentümern aufgebaut werden. Ich stehe für eine andere Planungskultur – für das Primat der Politik. Dabei ist der B-Plan nicht unumstritten. Vielen Grünen geht er mit den vielen zugelassenen Stegen und Bootshäusern viel zu weit und mit der Reduzierung auf den Uferweg nicht weit genug.
Was für ein Stichwort: Herr Klipp, Sie sind ja auch ein Grüner.
Ja.
Fühlen Sie sich bei den Potsdamer Grünen gut aufgehoben?
Wir sind ein Herz und eine Seele.
Zu Ihren Erfolgen habe ich mir noch notiert: Sanierung der Mittelpromenade der Hegelallee – hmm, obwohl
Nichts obwohl. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme zur Stärkung des Radverkehrs.
Sie haben sich in der Hegelallee und in der Mangerstraße den Spitznamen „Asphalt-Klipp“ eingehandelt.
Da habe ich kein Problem mit. Wissen Sie was der Planer der Groth-Gruppe im Gestaltungsrat gesagt hat?
Ja, er sagte, Asphalt ist ein Naturprodukt.
Insofern kann ich mit dem Namen gut leben. Asphalt da, wo es ein sinnvoller Baustoff ist.
„Alles zum Wohl der Radfahrer“ – ist das Ihr Wahlspruch?
Potsdam wächst jedes Jahr um zwei Prozent. Die Gesamtverkehrsmenge wächst auch jedes Jahr um zwei Prozent. Das heißt, weil wir heute schon beim motorisierten Individualverkehr an die Grenzen stoßen – siehe Lärm- und Schadstoffausstoß – müssen wir den Modal Split radikal ändern. Wir müssen nicht nur die zwei Prozent zusätzlich im Jahr auf umweltverträgliche Verkehrsarten wie Radfahren und ÖPNV leiten, sondern auch Anteile des Status quo. Ansonsten ist eines der wichtigsten Standortvorteile von Potsdam gefährdet, die Lebensqualität.
Sie propagieren immer die Bürgernähe – haben aber Demonstrationen von Bürgern gegen Ihre Politik erleben müssen, siehe Hegelallee, siehe Mangerstraße.
Sie haben die Kleingärtner vergessen.
Stimmt.
Ich habe mich dem immer gestellt. Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Gut. Ich bin dafür 1989 selbst auf die Straße gegangen, damit die Kleingärtner das heute dürfen.
Dabei ist der Kleingärtner an sich die Lösung vieler Probleme. Er macht nicht in Australien Urlaub und seine Äpfel kommen nicht aus Neuseeland.
Habe ich gesagt, dass ich die Kleingärtner abschaffen will?
Na gut, aber der Krieg um die Flächen hat längst begonnen.
Wir werden mittelfristig eine Flächenkonkurrenz haben. Das heißt nicht, dass es keine Kleingärtner mehr geben soll. Zu gegebener Zeit, wenn die Potenzialflächen für Wohnen ausgeschöpft sind, wird man für das nächste Kleingartenentwicklungskonzept Abwägungsentscheidungen treffen müssen. Das jetzige Konzept gilt nicht bis 2120. Ich habe nur zu früh auf das Problem hingewiesen.
Wird das „Haus Dietz“ abgerissen, das einstige Wohnhaus des modernen Architekten Heinrich Laurenz Dietz in der Kurfürstenstraße?
Das glaube ich nicht. Und wenn, dann ist es nicht die Schuld der Bauverwaltung, sondern desjenigen, der das Haus abreißt. Den Antrag auf Vorbescheid hat der Eigentümer gestellt. Die Spitzhacke wird nicht die Bauverwaltung, sondern der Grundstückseigentümer ansetzen.
Dem Eigentümer werden in der Leiblstraße große Mehrgeschosser vor die Nase gesetzt.
Der Eigentümer des „Haus Dietz“ hat ein Grundstück in der Kurfürstenstraße gekauft, keinen freien Ausblick zur Leiblstraße.
Abschließend: Hat die Stadt das Landtagsgrundstück nicht ordentlich übergeben?
Nein. Ich gehe fest davon aus, dass das Land seinen Bericht zurückziehen muss, weil er falsch ist. Das Land will Schadenersatz von der Stadt Potsdam – da wird die Spaßebene deutlich verlassen. Wenn der Bericht in der Welt bleibt, nehmen wir uns einen Anwalt. Der Sanierungsträger und die Bauverwaltung haben ihren Job sehr gut gemacht. Das Land muss vielmehr begreifen, dass die BAM kein „Partner“ ist. Die sind knallharter Widersacher wenn es um die Einhaltung der Kostenobergrenze geht. Die haben sich schon 15 Millionen Mal durchgesetzt mit ihren Nachforderungen. Und die werden sich weitere 45 Millionen Mal durchsetzen, wenn das Land nicht gegensteuert. Aber das ist eine Hausaufgabe, die das Landesfinanzministerium machen muss.
Das Interview führte Guido Berg
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