Aus dem GERICHTSSAAL: „Ich brauche gar kein Fahrrad!“
Vorbestrafter muss sich bewähren und arbeiten
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Aus dem GERICHTSSAALVorbestrafter muss sich bewähren und arbeiten „Einen Anwalt kann ich mir nicht leisten. Ich bin ein armer Hund“, stellt Tobias T. (35, Name geändert) zu Prozessbeginn klar. Deshalb werde er sich selbst verteidigen. Wenngleich es für den Blödsinn, den er am Nachmittag des 9. September 2004 verzapfte, eigentlich keine Entschuldigung gebe. „Null Ahnung, warum ich das Fahrrad mitgenommen habe. Ich brauche eigentlich gar keins. Und ein Damenrad schon gar nicht“, gesteht der arbeitslose Landmaschinenschlosser. Vielleicht, so seine Überlegung, habe er, betrunken und bekifft wie er war, seiner Freundin im Unterbewusstsein eine Freude bereiten wollen. „Der wurde nämlich kurz davor ihr Fahrrad geklaut.“ Am Tattag habe er mit Freunden in einer Gaststätte gefeiert und auf dem Heimweg das Gefährt entdeckt, erzählt der bereits wegen mehrerer Straßenverkehrsdelikte, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie Ladendiebstahls Vorbestrafte. „Ich habe erst gar nicht bemerkt, dass das Ding angeschlossen war.“ Einem Polizisten in Zivil fiel der Mann auf, der das Veloziped der Marke „Pegasus“ mit angehobenem – weil gesichertem Hinterrad – seelenruhig durch die Heinrich-Mann-Allee schob. „Er sprach mich an. Da habe ich ihm das Ding überlassen. Der Beamte meinte dann, ich sei der netteste Dieb, den er je kennen lernte“, berichtet der Angeklagte stolz. „Der Herr hat mir das Fahrrad geschenkt“, erinnert sich Uwe F. schmunzelnd. Tobias T. sei an diesem Herbsttag gut drauf gewesen, so die Einschätzung des Polizeizeugen. „Volltrunken war er nicht, höchstens leicht beschwipst. Ich konnte mich jedenfalls einwandfrei mit ihm verständigen.“ Inzwischen sei ihm klar geworden, dass es besser sei, seinen Alkoholkonsum zu reduzieren, sinniert der Langfinger. „Ich bin dann immer so enthemmt und stelle Dinge an, die ich nüchtern nie tun würde.“ Dem kann die Richterin nur beipflichten. Plötzlich wird Tobias T. philosophisch. „Manche wandeln auf der Sonnenseite des Lebens, andere wieder nicht. Mein Leben hat doch sowieso keinen Sinn mehr. Ich habe kein Geld, dafür Schulden ohne Ende.“ „Wollen Sie lieber eine feste Unterkunft in Brandenburg?“, fragt die Vorsitzende. „Inzwischen stellt sich nämlich die Frage, ob Sie noch einmal Bewährung erhalten oder nicht.“ Tobias T. scheint geschockt, erwartet gesenkten Kopfes das Urteil. Dies fällt noch einmal glimpflich aus: Sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung, sowie 100 Stunden gemeinnützige Arbeit wegen Diebstahls im besonders schweren Fall. Hoga
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