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Von Guido Berg: „Ich hab mich belatschern lassen“

Regina Kasemir liebte Kaffeefahrten und Shoppingevents – bis sie für 1000 Euro kaufte, was sie gar nicht braucht

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„Die ganzen Jahre hat sie aufgepasst“, schimpft ihr Sohn: „Nun ist sie wieder darauf reingefallen!“ Dabei hat die Potsdamer Rentnerin sonst immer nur Kleinigkeiten gekauft. Regina Kasemir öffnet eine Tür ihres Wandschranks und zeigt die Ware – diverse No-name-Küchengeräte, die sie nicht braucht, für etwa zehn bis 15 Euro das Stück. Richtige Busreisen könne sie sich nicht leisten, argumentiert sie. Aber raus aus den eigenen vier Wänden wolle sie schon hin und wieder. Darum geht die Potsdamerin seit Jahren auf Angebote ein, wie sie etwa von der Berliner Firma Eventus 2000 kommen. Preiswerte Reisen, verbunden mit einem Gratis-Essen und Verkaufsveranstaltungen mit dem Ziel, der zumeist älteren Kundschaft Waren zu verkaufen. Bekannt sind diese Ausflüge auch als Kaffeefahrten.

Am 20. Mai dieses Jahres war es keine Bustour, an der Regina Kasemir teilnahm. Vielmehr lud Eventus in ein indisches Restaurant in Babelsberg ein. Es gab „irgendetwas mit Reis“, erinnert sie sich. Auf der Veranstaltung wurden der Dame der Kauf einer Matratze, zweier Kopfkissen und einer Decke nahegelegt – für zusammen nicht mehr als 998 Euro. Regina Kasemir willigt ein. „Ich hab mich belatschern lassen“, bedauert sie heute.

Eventus-Mitarbeiter sind umgehend mit ihr und den Sachen in die Wohnung von Regina Kasemir gefahren. Dort unterschrieb die Frau den Kaufvertrag und bezahlte den vereinbarten Betrag. „Sie hat cash bezahlt“, knurrt ihr Sohn Kurt Spieshöfer, der ebenfalls in der Wohnung lebt, aber gerade nicht zu Hause war. „Ich fand die Matratze so schön“, entgegnet Regina Kasemir: „Aber natürlich, ich brauche sie gar nicht.“

Fristgemäß will die Rentnerin vom Kauf zurücktreten und die Firma bestätigt am Telefon sogar den Widerspruch. Es wird ein Tag vereinbart, an dem die Ware wieder abgeholt werden soll. Doch der Termin verstreicht, ohne das etwas geschieht. Telefonisch macht die Firma auf einmal eine Wertminderung von 280 Euro geltend – weil die Verpackung beschädigt ist. „Die haben die Folie selber aufgerissen“, protestiert Regina Kasemir. Die hätten gesagt, „legen sie sich doch mal drauf“.

Am 13. Juni dieses Jahres klingelt es bei Regina Kasemir an der Wohnungstür. Die alte Frau öffnet und ein Mann schiebt seinen Fuß in die Tür und erklärt, sie müsse die Matratze behalten, das Geld bekomme sie nicht zurück. Der Versuch, gewaltsam in die Wohnung zu gelangen, scheitert. Der Eindringling hat nicht damit gerechnet, dass der Sohn zu Hause ist. Dieser stemmt sich gegen die Tür und ruft die Polizei. Der Störer flieht. „Als die Polizei kam, war der schon weg“, sagt Kurt Spieshöfer.

Die Verkäuferin der Matratze in der Wohnung von Regina Kasemir heißt der eigenen Aussage nach Liane Jäckel. Als sie an ihr Mobiltelefon geht, gibt sie zu, den Matratzen-Verkauf „mit abgefeiert“ zu haben. Allerdings sei sie nicht mehr bei Eventus beschäftigt; die Firmenleitung aber habe das Problem mit Frau Kasemir angeblich längst gelöst haben wollen. „Das war lange abgeklärt“, so die junge Frau. Sie versprach, für die PNN den Kontakt zur Firma herzustellen, meldete sich jedoch nicht wieder. Verschiedene Versuche der PNN, von Eventus eine Stellungnahme zu erhalten, schlugen fehl. „Ach“, winkt Kurt Spieshöfer ab: „Die reagieren nicht.“ Noch gestern standen Matratze, Kissen und Decke unabgeholt in der Wohnung von Regina Kasemir. Das Geld hat sie auch nicht zurückerhalten. Kurt Spieshöfer versucht mittlerweile, eine tägliche Lagergebühr für die Ware von vier Euro geltend zu machen.

Bernhard Kiesling von der Verbraucherzentrale Potsdam hört ähnliche Fälle immer wieder. Bei Kaffeefahrten oder Shoppingevents solle sich jeder fragen, ob er die Ware wirklich braucht und ob er sie im Laden nicht preiswerter bekommt. Generell gelte die Devise „Portemonnaie zuhalten“, da die Ware überteuert angeboten werde.

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