
© Thomas
Sport: „Ich habe gleich Einspruch eingelegt“
Potsdams Leichtathletik- Cheftrainer Axel Richter über die Vereinsbilanz 2010, Ziele in der bevorstehenden Saison und umstrittene Pläne des Deutschen Leichtathletik-Verbandes
Stand:
Herr Richter, am Donnerstag kommt das Junior-Elite-Team des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, dessen rund 30 Mitglieder mit Blick auf Olympia 2012 und darüber hinaus extra gefördert werden, in den Potsdamer Luftschiffhafen. Warum?
Um hier bis Sonntag zu trainieren, von Ärzten und Physiotherapeuten durchgecheckt zu werden und sich auch theoretisch weiterzubilden. Das Team kommt bereits das dritte Mal nach 2008 und 2009 zu uns, weil es die Bedingungen hier – kurze Wege und sehr gute Trainingsbedingungen – schätzt. Mit Diskuswerfer Gordon Wolf, Geher Christopher Linke und 1500-Meter-Läuferin Diana Sujew, die neu dazu gekommen ist, hat der SC Potsdam derzeit drei Athleten in diesem Junior-Elite-Team.
Christopher Linke startete in diesem Jahr bereits bei den Europameisterschaften der Elite in Barcelona im 50-Kilometer-Gehen, musste aber wegen Magenbeschwerden vorzeitig aufgeben. Wie waren Sie denn mit Potsdams Leichtathletik-Assen zufrieden?
Wir haben allen Grund zur Freude. Vor allem natürlich über Claudia Hoffmanns EM-Silber mit der Viermal-400-Meter- Staffel, aber auch über ihre Entwicklung über die 800 Meter, über die sie in Barcelona nur eine Hundertstelsekunde über ihrer persönlichen Bestzeit blieb. Toll war auch Melanie Seegers EM-Platz vier im 20-Kilometer-Gehen, und Thomas Schneider lief in Barcelona als Schlussmann über viermal 400 Meter stark. Für Potsdams Leichtathletik war außerdem gut, dass bei der diesjährigen Sportlerumfrage im Land auch Melanie Seeger und Claudia Hoffmann dabei waren und die Plätze zwei und drei belegten.
Also war in diesem Jahr alles bestens?
Nicht ganz, denn anders als bei den EM in Barcelona sind unsere Vorstellungen bei den Junioren-Weltmeisterschaften der U20 nicht ganz aufgegangen. Durch Nadja Bahls Silber mit der Sprint-Staffel gab es in Kanada zwar eine Medaille für Potsdam. Ansonsten hatten wir uns mehr vorgestellt als Rang sechs für Caroline Hasse im Stabhochsprung, Platz elf für Hagen Pohle im Gehen und die Plätze zehn und 20 für Sarah Mayer und Laura Henkel im Speerwerfen. Positiv ist andererseits, dass der SC Potsdam bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im dritten Jahr in Folge bester Verein war.
In der Vereins-Bestenliste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes verbesserte sich Ihr Klub mit insgesamt 211 Punkten wieder vom vierten auf den dritten Platz.
Was zeigt, dass wir in der Breite von den Erwachsenen bis zu den Schülern gut aufgestellt sind. Ausschlaggebend für diese Rangliste ist die Anzahl der Platzierungen in den Bestenlisten der einzelnen Altersklassen, und da sind wir – mit Ausnahme der Schüler A – durchgängig gut dabei. Spitzenreiter Bayer Leverkusen hat besonders viele Punkte bei den Frauen, der zweitplatzierte TV Wattenscheid bei den Männern gesammelt.
Worauf kommt es nun aus Ihrer Sicht besonders an?
Zum einen darauf, die in den letzten Jahren bereits gute Leistungsentwicklung im Nachwuchsbereich in den Erwachsenenbereich mitzunehmen. Dazu brauchen die Athleten nach Beendigung ihrer Schulzeit weiterhin auch zeitlich optimale Übungsmöglichkeiten, um die trainingsmethodisch von Jahr zu Jahr notwendige Belastungssteigerung meistern zu können. Bundespolizei und Bundeswehr bieten dazu beispielsweise sehr gute Bedingungen. Außerdem wollen wir, nachdem wir derzeit Bundesstützpunkt in den Disziplingruppen Wurf, Lauf/Gehen und Sprung/Mehrkampf sind, dies auch wieder im Sprint werden. Dazu benötigen wir in dieser Disziplingruppe allerdings mindestens sieben A- bis C-Kader und entsprechende Leistungen von diesen.
Stichwort Kadersportler: Wie sieht es damit im Luftschiffhafen aus?
Für das neue Jahr wurden 33 Kader benannt. Neben den beiden A-Kadern Claudia Hoffmann und Melanie Seeger haben wir 16 B-Kader, von denen drei an unserem Bundesstützpunkt trainieren, aber weiterhin für andere Vereine starten. Das betrifft die beiden 800-Meter-Läufer Anja Claußnitzer vom LAC Erdgas Chemnitz und Martin Conrad vom LAC Quelle Fürth, die von Beate Conrad trainiert werden, sowie Diskuswerfer Markus Münch von der LG Wedel-Pinneberg, der nun bei Jürgen Schult trainiert.
Welche Ziele hat sich der SC Potsdam für 2011 gestellt?
Bei den Weltmeisterschaften in Südkorea hoffen wir auf die gleichen vier Teilnehmer wie bei den diesjährigen EM, also auf Claudia Hoffmann, Melanie Seeger, Thomas Schneider und Christopher Linke. Für die U18-WM in Lille müssen wir erst abwarten, wie sich Romy Günther und Madlin Dossow im Gehen und Speerwerfen weiter entwickeln. Unsere Hoffnungen für die U20-Europameisterschaften in Tallinn sind Nadja Bahl im Sprint, Hagen Pohle im Gehen, Kristin Pudenz, Matthias Fischer, Phillip van Dijck und eventuell Cara Palm im Diskuswerfen sowie Christian Ebert im Speerwurf. Und bei den U23-EM in Ostrava setzen wir auf Carolin Hasse, Sarah Mayer, Diana und Elina Sujew über 1500 Meter, Gordon Wolf und Hochspringer Oliver Bräutigam, der derzeit noch verletzt ist.
Für die Deutschen Meisterschaften liebäugelt der DLV ab 2011 mit einigen Änderungen. Um das Programm für das Fernsehen noch attraktiver zu machen, so seine Begründung, könnten die Titelkämpfe der Geher und eventuell der Staffeln ausgegliedert und extra ausgetragen sowie Teilnehmerfelder beschränkt werden. Wie ist Potsdams Position zu diesen Plänen, die am Dienstag Thema im Bundesausschuss Leistungssport des DLV in Darmstadt sind?
Nachdem ich diese Pläne auf den Web-Seiten des Verbandes gelesen hatte, habe ich als Vizepräsident Leistungssport des Leichtathletikverbandes Brandenburg gleich Einspruch eingelegt. Ich habe Sportdirektor Thomas Kurschilgen und dem Vorsitzenden des Bundesausschusses Wettkampforganisation, Frank O. Hamm, gemailt, dass wir mit diesen Plänen nicht einverstanden sind und dass die Meisterschaften wie bisher ausgetragen werden sollten. Man kann darüber reden, wie das Wettkampfprogramm gestrafft werden könnte. Es geht aber nicht, ganze Disziplinen wie das Gehen, das fester Bestandteil der Leichtathletik ist, herauszunehmen. Dazu kommt, dass durch die angedachten Extra-Meisterschaften den ohnehin oft klammen Vereinen Extra-Reisekosten entstehen würden.
Nun findet die Leichtathletik erst einmal unterm Dach statt – welche Ziele hat der SC Potsdam in der Hallensaison?
Bei den Erwachsenen muss man erst sehen, wie die Halle in ihre Planung für die WM passt. Bei den Deutschen Jugend- und Winterwurfmeisterschaften im Februar in Leverkusen wollen wir in der Vereinswertung aber Platz eins verteidigen.
Das Interview führte Michael Meyer.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: