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Landeshauptstadt: „Ich hatte Bammel, dass es auffällt!“

Obdachlose Putzhilfe bestahl ihre Arbeitgeber/Bewährung

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Obdachlose Putzhilfe bestahl ihre Arbeitgeber/Bewährung AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Gerlinde K. *(50) lebt nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens. Erst verlor sie ihre Arbeit, dann die Wohnung. „Ich laufe den ganzen Tag in der Gegend herum“, erzählt sie leise. Das Sozialamt habe ihr zugesichert, sich um eine neue Bleibe zu kümmern. „Bis es soweit ist, kann ich mich bei einer Bekannten waschen und auch bei ihr schlafen“, so die gelernte Rinderzüchterin, die zu DDR-Zeiten auch noch als Textilfacharbeiterin tätig war. Um sich ein bisschen Geld nebenbei zu verdienen, jobbte Gerlinde K. schwarz als Putzhilfe bei einem Ehepaar. Dem ging es so viel besser als ihr. Da lag haufenweise Geld in einer alten Keksdose herum. Die Versuchung war groß. Viermal griff die Obdachlose zwischen Dezember 2002 und April 2003 zu, ohne dass es ihren Arbeitgebern auffiel. Dann schöpften sie doch Verdacht, stellten ihr eine Falle. Und in die tappte sie auch prompt. Das Paar erstattete bei der Polizei Anzeige gegen seine diebische Putzfrau, die sie um rund 4000 Euro erleichtert haben soll. Jetzt musste sich Gerlinde K. vor dem Amtsgericht verantworten. „Tut mir Leid, dass ich das Geld genommen habe“, gesteht sie kleinlaut. Wie viel es insgesamt gewesen sei, wisse sie gar nicht mehr. „Ich hatte immer Bammel, dass es auffällt. Aber ich brauchte es, um Schulden zurückzuzahlen“, begründet die Sozialhilfe-Empfängerin ihr Tun. Auf die Idee, ihre Arbeitgeber anzupumpen, sei sie nicht gekommen. „Die haben mir ja nicht mal die Summe gezahlt, die wir vereinbart hatten“, schluchzt sie nun. „Sie haben das Vertrauen der Leute missbraucht, für die Sie gearbeitet haben“, rügt der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft das Häufchen Unglück auf der Anklagebank. „Armut ist noch lange kein Rechtfertigungsgrund, in fremde Kassen zu greifen.“ Dennoch tue er sich in diesem Fall sehr schwer, einen Strafantrag zu stellen. Gerlinde K. sei bislang nicht vorbelastet. Normalerweise würde er für eine Geldstrafe plädieren. Doch die würde die Angeklagte nur noch weiter in die Schuldenfalle treiben. Zudem müsse sie die veruntreute Summe ohnehin an ihre Ex-Arbeitgeber zurückzahlen“, so der Ankläger. Sein Antrag: Zwei Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung, dazu 50 Stunden gemeinnützige Arbeit. Das Gericht entscheidet ebenso. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. (*Name von der Redaktion geändert.)

Gabriele Hohenstein

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