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Aus dem GERICHTSSAAL: „Ich hatte drei Tage nichts gegessen“ Obdachloser betrog beim Schrottsammeln

„Die Suppenküche ist von hier nur einen Katzensprung entfernt“, sagt Amtsrichterin Doris Grützmann und lenkt den Blick des Angeklagten auf das Gelände der Stadtverwaltung. „In Deutschland muss niemand hungern.

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„Die Suppenküche ist von hier nur einen Katzensprung entfernt“, sagt Amtsrichterin Doris Grützmann und lenkt den Blick des Angeklagten auf das Gelände der Stadtverwaltung. „In Deutschland muss niemand hungern.“ Doch Jonny J.* (26) hatte laut eigener Aussage am 19. März einen Bärenhunger. Um sich Geld für Nahrungsmittel zu erschleichen, griff der Obdachlose zu einer List. Jetzt sitzt er wegen Urkundenfälschung und versuchten Betruges auf der Anklagebank und kassiert eine für ihn deftige Geldstrafe von 400 Euro. „Ich nehme das Urteil an“, erklärt der Potsdamer, der im Lerchensteig wohnt und seine Verfehlung schon bei der Polizei ohne Umschweife zugegeben hatte.

Am Tattag sammelte Jonny J. im Stadtgebiet Buntmetall, brachte es anschließend zur Aufkaufstelle in der Drewitzer Straße. Weil er – wie er fand – nicht genug Geld für seine Mühen erhielt, manipulierte er die ihm zustehende Summe. Auf dem Weg vom Wiegeplatz zur Kasse kritzelte er auf den ihm ausgehändigten Lieferschein einen angeblichen Erlös von 54 Euro. Doch die Kassiererin roch den Braten und zahlte das Geld nicht aus.

„Ich hatte drei Tage lang nichts gegessen. Obwohl ich einen Antrag auf Hartz IV gestellt hatte, habe ich einfach kein Geld bekommen“, begründet Jonny J. sein Tun. Doch die Mitleidstour zieht bei der Richterin nicht. „Bei Ihnen liegt einiges im Argen“, betont sie. „Ihr Vorstrafenregister weist insgesamt zehn Eintragungen auf.“ Die „Jugendsünden“ des Angeklagten verliest sie erst gar nicht. Im Jahr 2011 wurde der Potsdamer wegen Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz erstmals nach Erwachsenenstrafrecht sanktioniert. „Klappt das inzwischen mit Ihren ALG-II-Leistungen?“, vergewissert sich die Vorsitzende. Freundlich, wie von Beginn der Verhandlung an, erzählt der junge Mann, dass nunmehr das Geld regelmäßig fließe.

„Sie haben auch im Obdachlosenheim Ansprechpartner, wenn Sie Probleme haben“, versichert die Vorsitzende. „Nehmen Sie die Angebote an, die es gibt. Die Geldstrafe können Sie in Raten abzahlen. Oder – und das wäre in Ihrem Fall besser – Sie arbeiten sie ab.“ Jonny J. ist zufrieden. „Ich werde jetzt gleich mal gucken, ob ich die Suppenküche finde“, meint er abschließend. „Der Tipp war nicht schlecht.“ Hoga

*Name von der Redaktion geändert

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