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Landeshauptstadt: „Ich hoffe immer auf Einsicht“

Die Potsdamerin Jana Kadegis bemüht sich seit Mai 2010 vergebens, Mitglied im Synagogen-Bauverein zu werden

Stand:

Frau Kadegis, warum engagieren Sie sich für eine Synagoge in Potsdam?

Die Synagoge ist mir aus persönlichen Gründen sehr wichtig – wegen der Lebensgeschichte meiner Vorfahren und meiner eigenen. Mein Urgroßvater war ein angesehener jüdischer Rechtsanwalt in Braunschweig, der wegen seines Jüdisch-Seins erst seine Existenzgrundlage und dann sein Leben verlor. Seine Tochter, eine Halbjüdin, heiratete einen Deutschen. Die Nazis wollten ihn zur Scheidung zwingen, was er nicht tat und deshalb untertauchen musste. Väterlicherseits sind meine Vorfahren aus Lettland und entkamen nur ganz knapp dem Transport in den Gulag. Das alles prägte meine Hellhörigkeit für Ausgrenzung. Jedoch kann ich es auch als Richterin nicht hinnehmen, dass Stimmen ausgeschlossen werden, die bei der Gestaltung der Synagoge wirklich gehört werden müssen.

Sie haben einen Antrag gestellt auf Mitgliedschaft im Synagogen-Bauverein – bislang erfolglos.

Meinen ersten Antrag habe ich im Mai 2010 gestellt. Ohne Rücksprache mit mir kam eine kurze Ablehnung, da anzunehmen sei, dass ich den Bau der Haberland-Synagoge verhindern wolle. Nach dem Wechsel des Vorsitzenden habe ich in diesem Jahr einen neuen Antrag gestellt. Ich hoffe immer auf Einsicht. Nun wurde ich aufgefordert, die persönlichen Beweggründe zu beschreiben. Das habe ich getan, ohne eine weitere Antwort zu erhalten. Wie ich weiß, haben andere Antragsteller auch keine Antwort erhalten.

Ihnen gefällt der Synagogen-Entwurf des Architekten Jost Haberland nicht?

Diese Synagoge ist als Sakralbau nicht erkennbar. Die Fassade wirkt abweisend. Eine Synagoge – im Griechischen „Zusammenkommen“ – muss dazu einladen. Diese Fassade lädt nicht dazu ein. Ich habe an Gottesdiensten in verschiedenen Synagogen in der Welt teilgenommen und fühlte mich immer auch von außen eingeladen. Hinsichtlich des Gebetsraumes kann ich es auch als Nicht-Jüdin nicht gutheißen, wenn ich höre, dass da gläubige Juden Potsdams ausgeschlossen werden von der Gestaltung eines Raumes, der für sie so wichtig ist. Der Kern dessen, was die Juden über Jahrtausende im weltweiten Exil gerettet hat, ist das, was in der Synagoge, im Gebetsraum geschieht.

Beschreiben Sie doch bitte, was für Sie die Merkmale einer attraktiven Synagoge sind.

Große Fenster, überall Licht. Deutlich erkennbare Hinweise auf das Sakrale. Wenn man hineinkommt, darf man nicht auf eine Bürotür stoßen, sondern auf einen offenen Raum, in dem eine Begegnung stattfinden kann. Für mich ist hier ganz wichtig die Begegnung von Juden und Nicht-Juden. Das ist etwas, was hier jahrzehntelang nicht stattgefunden hat. Die Synagoge muss zukunftsweisend ausdrücken: Hier soll auch das stattfinden.

Wer muss sich bewegen, muss sich kompromissbereiter geben, damit der Synagogenstreit ein positives Ende findet?

Es ist zunächst einmal der Bauverein, der verhindert, dass engagierte Potsdamer nicht Mitglied werden dürfen. Es sind ja mittlerweile über 90 Antragsteller. Der Bauverein ist wie der verlängerte Arm der Landesregierung, des Bauherren, versteckt sich aber hinter dem Vereinsrecht. Wenn man bedenkt, dass hier Steuergelder verbaut werden, schließt die jetzige Vorgehensweise zu viele Menschen aus, eine Stimme zu haben in diesem wichtigen Projekt. Soweit ich das verstanden habe, wurden bereits vor dem Wettbewerb für die Synagoge wichtige Bedenken einfach nicht gehört. Nun hat sich vieles verfestigt; alle Beteiligten sollten sich aber um Verflüssigung bemühen. Was ich nicht gutheißen kann ist, dass unser Oberbürgermeister und auch die Landesregierung diese Verfestigung noch mehr zementieren, indem sie sagen, so wird die Synagoge jetzt gebaut. Und dies, ohne dass ein Dialog überhaupt stattfinden konnte.

Was muss jetzt geschehen?

Ich finde es wunderbar, dass der Landesverband der Jüdischen Gemeinden eine Schlichtungskommission ins Leben rufen will. Das ist ein wunderbares Signal. Hoffentlich kommt von oben, von der Landesregierung, vom Oberbürgermeister, jetzt nicht die Order, darauf nicht einzugehen. Das wäre sehr schädlich in dieser Zeit der neuen Hoffnung. Der Landesverband ist ein Partner in dem Prozess, der in den letzten Jahren ignoriert worden ist. Eine nachhaltige Lösung kann aber nur zustande kommen, wenn die Parteien, die sich streiten, miteinander sprechen. Ausgrenzung dagegen schädigt ein Miteinander auf Dauer. Ein Dialog wäre für die Zukunft eine viele tragfähigere Basis.

Das Interview führte Guido Berg

Jana Kadegis (45) ist in Braunschweig geboren. Sie studierte Jura an der Freien Universität Berlin und der University of Pennsylvania. Die Potsdamerin arbeitet als Richterin in Rathenow.

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