Sport: „Ich komme zurück!“
Potsdams Geher Andreas Erm arbeitet nach langer Verletzungspause an seinem Comeback und strebt die WM im August in Osaka an
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Die letzten Meter kommen ihm seine beiden Frauen schon entgegen. Claudine Szendrei schiebt Tochter Emma-Jordan im Kinderwagen durch den Luftschiffhafen; wohl wissend, aus welcher Richtung Andreas Erm nach seiner Runde durch die Pirschheide aufs Sportareal zurückkehren würde. Und die Mine des Leichtathleten hellt sich trotz der gerade erlebten Trainingsbelastung schlagartig auf. Seine Familie ist für ihn das wichtigste.
In diesen Tagen ist Familie Erm richtig in Potsdam angekommen. Der Geher startet zwar schon seit mittlerweile vier Jahren für den SC Potsdam, wohn- te aber mit Frau und seit fünf Monaten auch Töchterchen weiter in seiner Geburtsstadt Berlin. Kurz vor Weihnachten hat das Trio nun eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Potsdamer Zeppelinstraße bezogen. „Ich sehe das ganz pragmatisch“, sagt Andreas Erm dazu. „Es gefällt mir hier. Ich fühle mich in Potsdam wohl – und hier ist mein Trainer,“ erzählt er mit einem Blick hinüber zu Ronald Weigel, der gerade hinter ihm durch den Wald geradelt ist und darauf geachtet hat, dass sein Schützling ordentlich an seiner Geh-Technik arbeitet. Denn Erm – 2000 in Sydney Olympiafünfter über 20 Kilometer und 2003 in Paris Weltmeisterschaftsdritter über 50 Kilometer – hatte sich in den letzten Jahren wegen körperlicher Beschwerden eine gewisse Schonhaltung angewöhnt, „die inzwischen eingeschliffen ist. Das muss ich wieder in vernünftige Bahnen bekommen.“
Derzeit nämlich arbeitet Erm konzentriert an seinem internationalen Comeback nach zweijähriger verletzungsbedingter Zwangspause. „Ich komme zurück! Die diesjährigen Weltmeisterschaften in Japan und die Olympischen Spiele in Peking sind mein erklärtes Ziel“, betont der Geher beim kurzen Gang von Weigels Trainerzimmer hinüber in die Leichtathletik-Halle, in der noch Gymnastik auf dem Programm des 30-Jährigen steht. „Meine Fortschritte sollen mir mit Vernunft gelingen und nicht durch wilde Schroterei. Wir wissen jetzt, dass meine Schmerzen, die mich drei Jahre lang immer wieder plagten, nicht vom Rücken kommen, sondern direkt von dort, wo ich sie spüre: im linken Oberschenkel.“
„Es ist noch sehr viel zu tun“, bekräftigt auch Bundestrainer Weigel. „Aber das ist eine Herausforderung, der wir beide uns stellen. Wir haben ein Konzept bis zu den WM mit konkreten Terminen, an denen Leistungsüberprüfungen zeigen sollen, ob wir richtig im Plan liegen.“ Dass Erm ebenso wie seine Klubkameradinnen Sabine Zimmer und Melanie Seeger weiterhin zum „Top-Team Peking“ des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gehört, obwohl er nach seinem Olympiastart in Athen über 50 km – bei dem er in aussichtsreicher Position disqualifiziert wurde – international nicht mehr groß in Erscheinung trat, erleichtert den Versuch des zuletzt einzigen deutschen Weltklasse-Gehers, in diesem Jahr in die Weltspitze zurückzukehren.
Für das Ticket zur WM Ende August im japanischen Osaka, wo der 50-Kilometer-Spezialist „nur“ über die 20 Kilometer antreten will, muss Erm auf dieser Distanz 1:22:30 Stunde als Normzeit schaffen. „Früher war das kein Problem, und wenn ich fit bin, schaffe ich das auch wieder“, zeigt sich der Sportsoldat zuversichtlich, während er sein linkes Bein mehreren Dehnübungen an einem Turnkasten unterzieht. Und sein Trainer, der dabei auf die richtige Stellung des rechten Fußes achtet und ab und an korrigierend eingreift, betont: „Wer zur WM will, muss diese Norm schaffen, sonst hat er dort nichts zu suchen.“
In den kommenden Wochen muss Erm, der bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wieder die 50 Kilometer in Angriff nehmen will, allerdings auf Weigels kritische Augen verzichten. Der 47-Jährige fliegt am kommenden Mittwoch mit Melanie Seeger, Maik Berger und Carsten Schmidt vom SC Potsdam sowie André Höhne vom SC Charlottenburg Berlin nach Südafrika ins Höhentrainingslager Dullstroom (siehe auch Kasten rechts). Sein bislang erfolgreichster Schützling wird derweil weiter im heimischen Luftschiffhafen üben und sich in Berlin unter die Hände des DLV- Therapeuten Raymund Igel begeben. Beim zweiten Südafrika-Trainingslager im März in Potchefstroom bei Johannesburg soll er dann mit von der Partie sein.
Claudine Szendrei und die kleine Emma-Jordan, die sich während Papas Gymnastik auf einer dicken Schaumstoffmatte daneben im Kopfheben übt, haben also auch in den nächsten Wochen Andreas Erm bei sich. Und würden sich auch freuen, wenn er im August mit nach Osaka fliegen und dort starten würde.
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