Aus dem GERICHTSSAAL: „Ich konnte nicht widerstehen!“
Dreister Zigarettendiebstahl / Bewährung für Vorbestraften
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Aus dem GERICHTSSAALDreister Zigarettendiebstahl / Bewährung für Vorbestraften Nadines* Gesichtsfarbe gleicht dem kalkweißen Anstrich des Gerichtsflurs. In wenigen Minuten muss sie gegen ihren Freund aussagen. Der soll am 6. November vorigen Jahres im Kaufland elf Packungen Zigaretten für insgesamt 42,20 Euro gestohlen haben. Nadine – so der Staatsanwalt – habe den Glimmstängelklau abgesichert. Allerdings muss sich die heute 16-Jährige nicht vor Justitia verantworten. Ihre Mutter zahlte 70 Euro Strafe an den Einkaufstempel. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen sie ein. Als die „Strafsache Sebastian S.* „aufgerufen wird, schlottern nicht nur Nadine die Knie. Verlegen grinsend nimmt der Lockenkopf auf der Anklagebank Platz – übrigens nicht zum ersten Mal. Zuletzt wurde er 2003 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. „Nadine wusste nicht, dass ich die Zigaretten klauen wollte“, nimmt der Empfänger von Sozialhilfe seine Freundin in Schutz. „Wir hatten Süßigkeiten gekauft, standen an der Kasse. Da kam mir ganz plötzlich die Idee, Zigaretten zu holen“, behauptet Sebastian S. (23). Zweimal sei er zu der Box mit den Tabakwaren gegangen, habe die Schachteln blitzschnell im Ärmel seiner Jacke verschwinden lassen. „Es hat sich so ergeben. Ich konnte nicht widerstehen. Aber im Grunde war es blöd“, kommentiert der Arbeitslose. „Haben Sie überhaupt nicht daran gedacht, dass Sie Ihre Bewährung aufs Spiel setzen?“, wundert sich die Richterin. Sebastian schaut sie treuherzig an. „Mir wird meistens erst später bewusst, dass ich Mist gebaut habe.“ „So eine spontane Tat passt gar nicht zu Sebastian“, kommentiert der Bewährungshelfer. Der Angeklagte, der nur noch seine Oma habe, brauche eigentlich tagtäglich einen Tritt in den Allerwertesten, um in die Gänge zu kommen. Die Großmutter bezahle seine Schulden, umsorge den Enkel, der dadurch nicht gezwungen werde, endlich auf eigenen Beinen zu stehen. „Ich habe den Diebstahl mitbekommen“, gesteht Nadine fast unhörbar im Zeugenstand. „Vorher abgesprochen, war er aber nicht.“ Die Quittung des Gerichts für derart dreistes Tun: Drei Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung, 150 Stunden Sozialarbeit. (Namen geändert.)
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