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Immer vorweg: Angelika Ehebrecht vom Potsdamer Laufclub gewann in Erfurt den deutschen Seniorenmeistertitel über 800 Meter.

©  Kay Schmarsow

Sport: „Ich laufe so schnell, weil ich es kann“

Angelika Ehebrecht vom Potsdamer Laufclub ist am Sonntag deutsche Seniorenmeisterin über 800 Meter geworden

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Die Augen sind weit aufgerissen, die Anstrengung ist hörbar. Das Bild, das Angelika Ehebrecht abgibt, wenn sie läuft, ist ihr sehr wohl bewusst. „Das ist mein Standardgesicht. Wenn ich schnell laufe, es ist immer so verzerrt", sagt sie. Zuletzt war sie in Erfurt so zu sehen, am vergangenen Sonntag bei den Deutschen Hallenmeisterschaften der Senioren. Auf der letzten Geraden des 800-Meter-Laufes stürmte die 54-jährige Potsdamerin in der ihr typischen Manier dem Ziel entgegen – so vehement, dass ihr niemand folgen konnte und sie deutsche Senioren-Meisterin ihrer Alterskasse wurde.

Nur wenige Frauen in Deutschland, die über 50 sind, können 800 Meter so schnell laufen wie Ehebrecht. Manch einer der sie laufen sieht - wenn ihr die Anstrengung wieder ins Gesicht geschrieben ist - fragt sie, warum sie sich das antue; das sei doch verrückt. „Ich kann es nicht erklären“, sagt sie, um dann doch die simple wie zutreffende Antwort zu geben: „Weil ich es kann.“ Das hat sie eigentlich schon als Jugendliche gemerkt, als sie mit dem Laufen begann, „obwohl ich nicht das große Talent war“, wie sie sagt. Während der Lehre in Magdeburg war sie in einer Betriebssportgruppe aktiv. Es folgte eine mehr als zehnjährige Laufpause – „Kinder, Ehe, Job“, zitiert sie die viel bekannten Gründe für die Unterbrechung.

Es war keine Geringere als die einstige Weltklasse-Läuferin Ulrike Bruns, die das Lauffeuer wieder entfachte. 1991 war das – Bruns suchte mit einem Zeitungsaufruf Teilnehmerinnen für eine Frauenlaufgruppe. „Das war genau das was ich wollte. Etwas Hausfrauensport, einmal in der Woche laufen“, erinnert sich Ehebrecht.

Daraus wurde nichts. Denn das wöchentliche Trainingspensum von Angelika Ehebrecht, die als Bereichsleiterin in der Potsdamer Stadtverwaltung arbeitet, liegt bei drei bis vier Laufeinheiten. Der Ruinenberg ist eines ihrer bevorzugten Trainingsreviere. „Eigentlich müsste der schon ein paar Zentimeter kürzer sein, so oft bin in da hochgelaufen. Inzwischen habe ich aber den Eindruck, dass er sogar immer höher wird“, sagt sie. „Man wird halt nicht jünger.“

Auch aus dem sympathischen Vorhaben des „Hausfrauensports“ ist wesentlich mehr geworden. Als 2002 die Senioren-Europameisterschaften (EM) in Potsdam stattfanden, war Trainerin Ulrike Bruns der Meinung, dass „wir das ja mal probieren können, wenn es schon hier vor der eigenen Haustür stattfindet“, erinnert sich Ehebrecht. Sie wurde über 800 Meter Vierte. Zwei Jahre später im dänischen Aarhus gewann sie bei den europäischen Titelkämpfen Bronze und Silber mit der 4x400-Meter-Staffel. Auch 2012 startete sie bei EM und verpasste sie in Zittau nur den knapp den Podestplatz und wurde Vierte.

Wenn Ehebrecht im Luftschiffhafen, mit ihrer Trainingsgruppe des Potsdamer Laufclubs Tempoläufe macht und Ulrike Bruns scheinbar schonungslos mit der Stoppuhr in der Hand ihre Athletin bis zur Erschöpfung treibt, stellt sich schon die Frage: Macht das Spaß, sich so zu quälen? „Jein“, sagte Angelika ganz ehrlich. „Aber wenn man sich im Sport anstrengt, bekommt man ein unmittelbares Ergebnis. Das ist nicht immer so im Leben“, meint sie.

Diesen sofortigen Lohn wollte sie auch in Erfurt. Nach 200 Metern m Bummeltempo rannte Ehebrecht los. „Weil ich wusste, dass ich das kann, weil ich es trainiert hatte und spürte, dass mich Ulrike Bruns wieder auf den Punkt topfit gemacht hatte“, sagt sie. Sie lief bis zur Erschöpfung „weil ich nicht sehen konnte, was hinter mir passiert, ob die anderen noch einmal rankommen.“ Auch dieser urtypische Gedanke eines Wettlaufs habe sie getrieben. Wenn das unmittelbare Ergebnis dann sogar der Sieg ist, stellt sich die Frage nach der Anstrengung nicht mehr.

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