Sport: „Ich möchte dem Handball dienen“ Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning über die Probleme in der Nachwuchsförderung
Herr Hanning, woran denken Sie zuerst, wenn sie auf das zurückliegende Wochenende blicken?An die Abschlussfeier unserer A-Jugend, die am Sonnabend die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat.
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Herr Hanning, woran denken Sie zuerst, wenn sie auf das zurückliegende Wochenende blicken?
An die Abschlussfeier unserer A-Jugend, die am Sonnabend die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat. Wir hatten ein Boot gemietet, die Eltern der Jugendlichen waren dabei, einige Lehrer vom Leistungsstützpunkt. Es war eine tolle Party.
Am selben Tag hat die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation zur EM 2014 verpasst, zum ersten Mal überhaupt. Worin hakt es im deutschen Handball?
Das Scheitern des Nationalteams ist ein Debakel. Wir haben in der Nachwuchsarbeit einiges versäumt. Ich glaube, dass man junge Spieler nicht nur sportlich, sondern auch in ihrer Persönlichkeit entwickeln muss. Sie sollten beim Stand von 25:25 kurz vor Schluss Spaß an einer solchen Situation haben und nicht vor Nervosität verkrampfen. Meine A-Junioren haben mittlerweile gelernt, wie man gewinnt. Sie stehen in kniffligen Situationen als Persönlichkeiten auf dem Feld.
Ähnelt die Krise der Situation im deutschen Fußball zur Jahrtausendwende?
Durchaus, wobei die Fußball-Bundesliga damals nicht die stärkste Liga der Welt war, sondern nur eine von vielen. Das macht es für uns ungleich komplizierter. Handball ist eine sehr physische Sportart, in der man eine gewisse Körperlichkeit braucht, die man mit 18 oder 19 Jahren gar nicht haben kann.
Wie schwer ist es also, in der Bundesliga mutig zu sein und trotzdem auf diese jungen deutschen Spieler zu setzen?
Alle Vereine wollen international spielen und stehen unter einem brutalen Druck. Doch wenn wir nicht mutig sind, werden wir im deutschen Handball nicht weiterkommen. Bei den Füchsen haben wir diesbezüglich schon eine Art Vorreiterrolle.
Glauben Sie, dass das Publikum kritisch reagieren würde, wenn die Füchse mit jungen Deutschen spielen, es dafür aber sportlich weniger gut läuft?
Darauf bin ich sehr gespannt. Anderseits ist das unsere Philosophie, von der wir nicht abrücken werden. Wir hatten vor kurzem katarische Investoren zu Besuch, die den Klub kaufen wollten. Unter wirtschaftlichen Aspekten war das spannend, weil wir unseren Etat über Nacht von fünf auf zehn Millionen Euro verdoppelt hätten. Damit hätten wir die Champions League gewonnen! Aber auch unsere Seele verkauft. Die Frage lautet ja: Wollen wir Verhältnisse wie im Fußball bei 1860 München? Nein. Wir wollen kein Spielzeug sein. Es war eine Grundsatzfrage – und wir haben uns dagegen entschieden.
Sie arbeiten ganz offensichtlich lieber mit entwicklungsfähigen Spielern. Wie ist Ihr Umgang mit dem Nachwuchsteam?
Ich sage immer zu ihnen: Leute, ich habe eine Eigentumswohnung und mache im Sommer mein Cabriodach auf – meine Karriere steht. Was ich damit sagen will: Ich brauche sie nicht, um meine eigene Karriere zu planen. Aber ich schenke ihnen meine Zeit und meine Liebe, damit sie sich ihren eigenen Traum erfüllen können. Und somit ist das Verhältnis zwischen uns sehr vertrauensvoll. Sie bauen auch Mist, wie andere Jungs auch. Aber sie müssen halt auch unseren Verein repräsentieren.
Da stehen Ihnen wahrscheinlich manchmal die Haare zu Berge.
Die müssen mich aber genau so aushalten. Ich verlange sehr viel. Aber Jonas Thümmler und Fabian Wiede erhalten zum Beispiel von mir eine so genannte Benimm-Prämie. Wenn sie den Verein vernünftig nach außen repräsentieren, dann erhalten sie von mir am Saisonende ein gutes Sümmchen. Von dem können sie sich dann ein Auto kaufen oder in den Urlaub fahren.
Ihr Konzept scheint aufzugehen.
Wir haben zwölf deutsche A- oder Jugendnationalspieler im Kader. Soviel wie kein anderer deutscher Verein. Nun muss es uns aber gelingen, all diese Nachwuchsleute auch einzusetzen. Und in den nächsten drei Jahren müssen wir zudem beweisen, dass wir auch auf den Königspositionen – Kreis und Rückraum – ausbilden können und auch spielen lassen.
Was sind nun ab September als möglicher Verbandsvize ihre Zielvorgaben, die Sie mit den Bundesligaklubs treffen wollen?
Das muss grundsätzlich im Dialog stattfinden, da will ich gar keine Forderungen stellen. Ich werde mit den Vereinen reden und wir werden Zielvereinbarungen unterschreiben. Was kann der THW Kiel für den deutschen Handball tun? Wozu bekennt er sich? Und wozu auch nicht? Und am Ende können wir dann beschließen, was jeder einzelne in den Topf werfen kann. Ich – und alle Beteiligten sollten das auch – möchte dem Handball dienen. Da gibt es in Zukunft keine Chance für Eitelkeiten. Und keine Chance für falsche Spiele. Wir müssen weg von Problemen, die da sind, hinein in eine lösungsorientierte Zukunft.
Sie haben bereits jetzt einen prall gefüllten Terminkalender. Welchen Posten werden Sie für das neue Amt also aufgeben?
Die nächste Saison wird meine letzte als Nachwuchstrainer sein. Wir haben zuletzt viermal den Titel geholt, jetzt geht es dort um die Nachhaltigkeit. Aber wir versuchen es natürlich ein fünfstes Mal.
Wird der Nachwuchs den deutschen Handball auf lange Sicht zu alter Stärke führen können?
Das ist eine Mentalitätsfrage. Ich habe meiner A-Jugend bereits vor dem Meisterschaftsfinale ihre Sieger-T-Shirts ausgehändigt. Ich hatte da draufschreiben lassen: Sieger zweifeln nicht, Zweifler siegen nicht.
Krankte es in der EM-Qualifikation also an der Einstellung?
Ich muss als Trainer Spieler aussuchen, die vom Charakter her meiner Mentalität entsprechen. Nehmen Sie bei unseren Profis zum Beispiel Iker Romero. Der weiß genau, wie man gewinnt. Deshalb haben wir ihn geholt. Ein solcher Charakter fehlt den Deutschen momentan.
Wie begründen Sie dann die eigentlich gute Leistung bei der WM im Frühjahr?
Martin Heuberger hat es bei der WM geschafft, über das Kollektiv eine Menge zu lösen. Aber wenn einzelne dann nur 80 oder 90 Prozent geben, dann reicht dieses Kollektiv eben nicht mehr. Für das ganz Große brauchst du ganz große Persönlichkeiten. Und die müssen wir in Deutschland wieder entwickeln.
Das Gespräch führten Christoph Dach und Benjamin Apitius.
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