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Ackerfläche mit Seeblick. Landwirt Ernst Ruden auf dem Aasberg, den er als Weidefläche braucht.

© Manfred Thomas

Potsdamer Entwicklungsgebiet: „Ich nenne es Enteignung“

Die Landwirte im Umfeld der ehemaligen Kaserne Krampnitz laufen Sturm. Sie sollen ihre Ackerflächen billig an die Stadt Potsdam verkaufen, die daraus teures Bauland machen will

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Krampnitz - Die Pläne für ein künftiges Entwicklungsgebiet Ehemalige Kaserne Krampnitz stoßen in den umliegenden Ortsteilen in ihrer jetzigen Form auf scharfe Kritik. Auf einer Bürgerversammlung am Dienstagabend im völlig überfüllten Aufenthaltsraum der Freiwilligen Feuerwehr Fahrland schlug Potsdams Stadtplanungschef Andreas Goetzmann insbesondere die Wut von sich in ihrer Existenz bedroht sehenden Landwirten entgegen. Der Grund: An sechs Stellen geht das vom Pro-Potsdam-Manager Erich Jesse geplante Entwicklungsgebiet über die Grenze der einstigen Kavallerie-Kaserne hinaus und nimmt auch große Landwirtschaftsflächen in Beschlag. So sind 2,5 Hektar des Krampnitzer Bauern Ernst Ruden auf dem Aasberg betroffen. „Wir sollen den Acker für 40 Cent an die Stadt verkaufen und die macht daraus teures Bauland – wo gibts den so etwas?“, entrüstete Ruden sich am Mittwoch gegenüber den PNN. Offiziell bestehe eine „Mitwirkungspflicht des Grundeigentümers“ – der 42-jährige Landwirt favorisiert jedoch eine andere Bezeichnung: „Ich nenne es Enteignung.“

Die Stadt setzt bei ihren Plänen auf den Paragrafen 165 des Baugesetzbuches (BauGB), wonach Grundbesitzer einen großen Teil der Wertsteigerung im Zuge der Umwandlung von Acker- in Bauland an den Entwicklungsträger auszahlen müssen. Der Entwicklungsträger wiederum bezahlt mit diesen Beträgen den Bau von Straßen und Kitas, kurzum, die Infrastruktur im Entwicklungsgebiet. Theoretisch könnte Ruden auf seinem Aasberg selbst als Wohnbau-Entwickler auftreten, doch das will Ruden gar nicht. Er ist Bauer, wie sein gleichnamiger Vater es auch war. Auch der 22-jährige Sohn trägt den Namen Ernst Ruden und es ist abgemachte Sache, dass er den Landwirtschaftsbetrieb Ruden dereinst übernehmen wird. Die 2,5 Hektar auf dem Aasberg brauche der Betrieb als potenzielle Erweiterungsfläche und als Weidefläche für die Kühe, wenn diese auf den tiefer gelegenen sumpfigen Wiesen nicht mehr grasen können.

Natürlich weiß Ruden, dass gerade der Aasberg, der einen guten Blick auf den Fahrländer See bietet, als teures Bauland verkauft werden soll, um die Entwicklungsmaßnahme zu finanzieren. Vier Millionen Euro gingen an Einnahmen verloren, bleibt der Aasberg Ackerland, habe Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Bündnisgrüne) ihm vorgerechnet, berichtet der Landwirt. Rudens Frau, Cindy Ruden, versteht jedoch ohnehin nicht, wie sich teures Wohnen und der Landwirtschaftsbetrieb miteinander vertragen sollen. „Morgens um sechs Uhr geht der Traktor an. Das wird Villenbesitzern nicht gefallen; die wollen ihre Ruhe.“

Klipp bietet indes Ausgleichsflächen an. Das berichten nicht nur die Rudens, sondern auch das junge Landwirtspaar Ariane Scharf und Lars Kutzer, das mit seinen beiden Kindern direkt an der Kasernen-Grenze wohnt und eine ein Hektar große Fläche bewirtschaftet. Auch dieser Grund und Boden soll mit Wohnhäusern bebaut werden. „Damit ist unsere Existenz komplett bedroht“, sagte die 30-jährige Ariane Scharf den PNN am Mittwoch. Keine Bank würde ihnen die enorme Summe für die Entwicklungsabgabe leien. Ausgleichsflächen brächten wenig, das Paar lebe unter anderem vom Verkauf der Pfingstrosen, deren Stauden noch der kürzlich verstorbene Vater pflanzte und die nicht umgesetzt werden könnten. Die Wurzeln reichten eineinhalb Meter in die Tiefe, jede Staude trage jetzt 16 Blüten – „im zweiten Jahr fangen sie mit einer Blüte an“, sagt Ariane Scharf. Auch Rudens brauchen ihren Acker unweit des Wohnhauses, nicht sonstwo. „Die Hühner müssen drei Mal täglich gefüttert werden, man muss vor Ort sein“, sagt Ernst Ruden, der Mittlere, und stellt definitiv klar: „Wir werden nicht weichen.“ Grundsätzlich, sagt der Landwirt, sieht er eine Entwicklung der Ex-Kaserne aber positiv, allerdings nur innerhalb ihrer Grenzen.

Genau diese Position hat Fahrlands Ortsvorsteher und Potsdamer Stadtverordnete Claus Wartenberg (SPD) nun in einen Antrag an den Ortsbeirat gegossen. Tenor: Entwicklung ja, aber innerhalb der Kasernengrenze. Unterstützung bekommen die Fahrländer von der Ortsvorsteherin von Neu Fahrland, Carmen Klockow (CDU). In ihrem Ortsteil sei etwa die Gärtnerei von Meike Kania betroffen, berichtete sie am Mittwoch den PNN. Für die Landwirte bedeute die drohende Infrastruktur-Abgabe „eine andere Form von Enteignung“. Eine Verdrängung der Landwirtschaft dürfe es nicht geben. Carmen Klockow: „Wir wollen die Äpfel nicht aus Neuseeland.“

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