Sport: „Ich quäl’ das Eisen“
Der dritte Kreuzbandriss wirft Judoka Robert Zimmermann auf dem Weg nach Rio zurück
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Robert Zimmermann wird wieder mitfahren, er wird die Mannschaft motivieren, Tipps geben; kämpfen kann er erneut nicht. Der Kapitän der Erstliga-Judoka aus Potsdam muss wegen eines erneuten Kreuzbandrisses den ersten von zwei Kämpfen gegen den Abstieg am Samstag in Bottrop vom Mattenrand aus verfolgen. UJKC-Trainer Mario Schendel strebt mindestens ein Unentschieden an, er ist „vorsichtig optimistisch“. Beim Rückkampf am 27. September in der Potsdamer MBS-Arena wäre dann ein Sieg nötig, um die erste Bundesliga zu halten.
Vor einigen Wochen klang Schendel noch optimistischer für diese beiden Kämpfe. Zimmermann, der in der höchsten Gewichtsklasse stets als Letzter kämpft, ist nicht nur der Punktgarant für den UJKC am Wettkampfende; er ist auch der, der durch diese oft eingelöste Garantie die anderen selbstbewusster auftreten lässt. Deshalb machte sich Mario Schendel weniger Sorgen über die beiden Abstiegsduelle gegen Bottrop – bis zum vergangenen Freitag, als sich Zimmermann in einem Trainingskampf mit Ricardo Melz erneut ein Kreuzband riss.
Was für den UJKC eine Herausforderung im Abstiegskampf ist, ist für Robert Zimmermann auch persönlich ein schwerer Schlag. Zum dritten Mal ist das linke Knie betroffen. Zimmermanns großes Ziel, die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro, ist deutlich schwerer zu erreichen. Die Qualifikationswettkämpfe dafür laufen seit Mai 2014, in zehn Tagen im kroatischen Rijeka wollte er erstmals seit seinem Kreuzbandriss im September 2013 wieder international starten. Davor waren die Punkte für seinen Heimverein UJKC, bei dem er vor 20 Jahren seine ersten Techniken als Judoka lernte, eingeplant.
Zimmermann, dreifacher Sieger bei Weltcups und Grand Slams sowie Bronzemedaillengewinner bei Welt- und Europameisterschaften mit der Mannschaft, war auf einem guten Weg zurück in den Wettkampfalltag. Bei Trainingslagern in der Mongolei und in Kienbaum absolvierte er mehrere Hundert Kämpfe. Das Kreuzband meldete sich nicht.
Ausgerechnet beim letzten Judo-Trainingskampf mit Ricardo Melz machte Zimmermann die unglückliche Bewegung. Es hätte überall, beim Wettkampf oder beim sonstigen Training passieren können, sagte Zimmermann am Mittwoch. Er trainiere öfter mit Melz, der für den RC Potsdam in der höchsten Gewichtsklasse ringt, also schwer ist, und Judo-Techniken beherrscht. Schwergewichtler gibt es nicht viele, in der Umgebung schon gar nicht, sagt Zimmermann, und jenen, die es in Deutschland gibt, denen will man im Training nicht zu viel zeigen – für die Olympischen Spiele kann nur einer pro Gewichtsklasse nominiert werden.
Der Schmerz sei ihm sofort bekannt vorgekommen. Robert Zimmermann hatte noch Hoffnung. Ärzte wurden konsultiert, das Knie untersucht. Am Dienstag hatte sich die bittere Diagnose endgültig bestätigt. Als sich die Nachricht herumsprach und er auch darüber sprechen wollte, stand sein Telefon nicht mehr still. Er bekam viele aufmunternde Worte zu hören, manchmal auch fassungsloses Schweigen. Was soll man sagen bei soviel Pech?
Die letzten Tage waren für den 27-Jährigen nicht leicht zu ertragen. Zimmermann, immer einen fröhlichen Spruch auf den Lippen, will den Kopf auf keinen Fall in den Sand stecken. Seine Familie und seine Freunde unterstützen ihn, wo sie nur können, damit ihm die Decke nicht auf den Kopf fällt. Auch seine Freundin Kristina ist eine ganz wichtige Stütze. „Sie hat im Moment eine Doppelschicht. Erst geht sie acht Stunden arbeiten, dann hat sie mich. Sie fängt mich auf und stärkt mir den Rücken.“ Hinter einem starken Mann stehe immer eine starke Frau, sagt der 114 Kilogramm schwere Judoka. Er hält sich weiter an einen strukturierten Tagesablauf. Abends rechtzeitig ins Bett, um den nächsten Tag zu nutzen. Was den Sport betrifft, so steht vor allem Arbeit im Kraftraum an. „Ich quäl’ das Eisen“, sagt er und lacht breit.
Die Fragen nach der sportlichen Zukunft bleiben, und Robert Zimmermann wird sie in den nächsten Tagen mit jenen analysieren, die seit vielen Jahren seine Ansprechpartner sind. Am gestrigen Mittwoch traf er Bundestrainer Detlef Ultsch in Berlin, um die Möglichkeiten zu besprechen, die es gibt. Eine ist, das Knie zum dritten Mal zu operieren und mit einem vierten Kreuzband wieder auf die Tatami zurückzukehren. Die andere Möglichkeit ist, ohne Kreuzband zu kämpfen. Was in den meisten Sportarten undenkbar ist, soll bei Schwergewichtlern im Judo häufiger vorkommen. Sein Vereinstrainer Mario Schendel bestätigt das – dann muss Muskelmasse aufgebaut werden, die das Knie stützt.
Auf Unterstützung hofft Zimmermann auch bei seinem Arbeitgeber. Mit dem Verantwortlichen bei der Bundespolizei, die den Polizeimeister Zimmermann für den Leistungssport freistellt, habe er schon ein „aufbauendes Telefonat“ geführt. „Ich bin froh, sie als Arbeitgeber und Unterstützer an meiner Seite zu haben“, sagt Zimmermann. Ingmar Höfgen
Ingmar Höfgen
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