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Landeshauptstadt: „Ich sehe so, wie du nicht siehst“

Beratungsstelle macht auf Tag der Sehbehinderung am 6. Juni aufmerksam

Stand:

Beratungsstelle macht auf Tag der Sehbehinderung am 6. Juni aufmerksam „Die obersten beiden Reihen kann ich erkennen.“ Erika Forberg sagt „erkennen“ nicht „sehen“, als sie bei ihrer Augenärztin die bekannte Testtafel entziffern soll. Die 76-Jährige war ihr Leben lang auf ihre Augen angewiesen, obwohl sie schon immer starke Brillen brauchte. „Als Neunjährige bekam ich Diphtherie und als ich wieder gesund war und vorn an der Schultafel stand, konnte ich nichts mehr erkennen“, erinnert sich die weißhaarige alte Dame. Seitdem habe sie eine Brille gebraucht. Mehr als 30 Jahre lang arbeitete Erika Forberg als Sekretärin, zuletzt als Chefsekretärin des Bezirksstaatsanwalts. Sie schrieb stundenlang Stenographie oder Schreibmaschine. Das Wort „Sehbehinderung“ kam ihr nicht in den Sinn. Wenn jemand das Sekretariat betrat, wechselte sie einfach die Brille und konnte so den Besucher erkennen. „Dann kam der Graue Star hinzu“, erzählt Frau Forberg, „auf beiden Augen“. Nur noch durch einen grauen Schleier sah sie die Umgebung. Sie entschloss sich in den neunziger Jahren zur Operation. „Ich bekam neue Linsen“, berichtet sie. Und: „Das war wie neues Leben.“ Wie in ihren „besten Zeiten“ konnte sie mit einer Brille einwandfrei lesen. Doch die Freude über die neuen Augenlinsen währte nur kurz, dann kam die nächste Katastrophe: Netzhauterkrankung. Über die Ursachen kann Frau Forberg nur spekulieren. Viele alte Menschen seien von Netzhauterkrankungen betroffen. „Die Brille nutzt nicht mehr“, sagt sie, die nur noch mit einer Blinden-Armbinde auf die Straße geht. „Wo ich mich auskenne, traue ich mich zu laufen“, sagt Frau Forberg, die im Wohngebiet Stern wohnt. Einkaufen geht sie fast nur in Begleitung. „Was ich kenne, kann ich selbst aus dem Regal raussuchen.“ Im Zweifelsfall frage sie die Leute oder die Verkäuferinnen. Ansonsten kann die allein lebende Erika Forberg trotz ihrer starken Behinderung ihren Haushalt eigenständig führen, selbst kochen und Ordnung halten. Das Geheimnis: „Bei mir hat alles seinen bestimmten Platz.“ So oder so ähnlich wie Frau Forberg geht es ungefähr 700 Potsdamerinnen und Potsdamern, berichtet Stephanie Seidel, Leiterin der Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte Am Alten Markt 10. Diese Menschen verfügen nur noch über eine Sehfähigkeit von zwei bis 30 Prozent eines normal Sehenden. Erst wer weniger als zwei Prozent sehen kann, gilt als blind. Seidel erwähnt den „Tag der Sehbehinderung“, der am morgigen 6. Juni stattfindet. „Wir wollen mit einem solchen Tag auf die Probleme der vielen Menschen aufmerksam machen, die wie Frau Forberg sehbehindert sind.“ „Ich sehe so wie du nicht siehst“, so das diesjährige Motto. „Ich bin froh, dass meine Augenärztin mich auf die Beratungsstelle aufmerksam gemacht hat“, berichtet Erika Forberg. Viele Sehbehinderte wüssten nicht, welche zahlreichen sozialen und technischen Hilfen ihnen zustehen. Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte Am Alten Markt 10/107. Tel.: (0331) 295184

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