Landeshauptstadt: „Ich verdanke dem Angriff mein Leben“
Horst Goltz war bei der Hitlerjugend und stand kurz vor der Einberufung – dann kam der 14. April 1945
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Horst Goltz war bei der Hitlerjugend und stand kurz vor der Einberufung – dann kam der 14. April 1945 Kurz vor Kriegsende, am 14. April 1945, wurde Potsdam Ziel eines verheerenden britischen Luftangriffes. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Bombardierung schildern sechs Zeitzeugen in einer PNN-Serie, wie sie die Nacht des 14.April er- und überlebt haben. Heute: Horst Goltz, 1930 in Potsdam geboren, Abitur 1949, arbeitete als Diplom-Biologe im Pflanzenschutzamt Potsdam. Die Bombennacht erlebte er als 15-Jähriger bei der Hitlerjugend. Im Vorfeld des Kriegsendes wurden wir noch mal im Jungbann in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße internatsmäßig zu einem Intensivlehrgang zusammengezogen. Wir waren am 14. April dort einquartiert und mussten, nachdem Fliegeralarm ausgelöst worden war, in den Keller gehen. Obwohl wir noch eine gewisse Strecke vom Zentrum des Angriffs entfernt waren, hatten wir das Gefühl, wir befinden uns auf hoher See in einem Schiff bei Sturm. Es schaukelte derartig, dass man sich nach Ende des Angriffs gewundert hat, dass über einem überhaupt noch das Haus stand.Wir waren der Meinung, das müsste schon alles zusammengefallen sein. Angst hatte ich kaum, als Jugendlicher ist man nicht so ängstlich wie als älterer Mensch. Erstaunlich. Ich bin ja oft während der Luftangriffe mit dem Fahrrad durch die Stadt nach Hause gefahren, da flogen oben schon die Bomber rüber. Da hätte ich ja auch jederzeit getroffen werden können, schon durch die Granatsplitter der Flak. In der Nacht in dem Keller hat keiner ein Wort gesprochen.Wir haben jeden Moment damit gerechnet, dass die Decke runter kommt. Nachdem der Angriff vorbei war, kamen wir sofort zum Einsatz. Ursprünglich war ja gedacht, dass wir an die Front kommen, um noch die Heimat zu verteidigen – sozusagen. Wir erhielten den Auftrag, eine Telefonverbindung von der Kreisleitung der NSDAP – die befand sich im Norden des Platzes der Einheit, früher Wilhelmplatz – zum Polizeipräsidium in der Priesterstraße herzustellen. Was völlig unmöglich war, da wir durch die brennenden Straßen gar nicht durchgekommen sind, es war ja alles ein Flammenmeer. Dann bin ich mit einem Kameraden zurück zu dem Jungbann. Wir mussten dort Betten in den Keller tragen für die Bombengeschädigten. Dann sind wir nach Hause abgerückt. Wir kamen allerdings durch die Stadt nicht durch nach Hermannswerder. Aber es war ja die Fährverbindung noch da. An der Neustädter Havelbucht haben wir gesehen, wie der Turm der Garnisonkirche in Flammen stand und unter Glockengeläut zusammenfiel. Die Garnisonkirche hat ja zu Anfang gar nicht gebrannt, sondern der Lange Stall. Dann griffen die Flammen auf das Kirchenschiff über und dann von dort auf den Turm. So gegen Morgen, so um halb sechs, fiel der obere Turm in sich zusammen. Der Fährmeister, Herr Krüger, war geradeso mit dem Leben davon gekommen, der hatte sich während des Bombenangriffs auf den Rasen gelegt. Bei der Fähre waren alle Scheiben raus. Wir sind dann also rüber gefahren, die ganze Stadt war in Rauch gehüllt, überall schwammen tote Fische, tote Wildenten, verbrannte Balken. Drüben legten wir an einem halb im Wasser liegenden Dampfersteg an, weil der Fährsteg zerstört war. Meine Angehörigen nahmen mich in Empfang, hatten also überlebt. Bei meinem Kumpel war das ähnlich, Horst Senst heißt der, er rief mich vor einem Jahr aus Bremen an, da hatte ich das erste Mal wieder Kontakt mit ihm seit diesem Tag. In unserem Haus waren sämtliche Scheiben raus, in den Räumen stand alles Kopf. Vor der Haustür war ein Loch, da musste etwas reingefallen sein. Es stellte sich heraus: Es war der Blindgänger einer Fünf-Zentner-Bombe. Wenn diese Bombe explodiert wäre, wäre unser Haus weg gewesen. Nach der Entschärfung lag sie bis kurz vor Kriegsende vor unserer Haustür. Der Volkssturm hat sie dann auf einen Handwagen geladen und auf eine der Judengrabenbrücken gelegt. Pioniere haben sie dann mit Hilfe dieser Bombe gesprengt. Ich hab mich seit dieser Nacht nicht mehr blicken lassen und abgewartet bis die Russen kamen. Zwischendurch sind wir nach Geltow geflüchtet. Dem Angriff habe ich vielleicht mein Leben zu verdanken. Ich wäre sonst noch eingezogen worden. In meiner Klasse sind viele zum Volkssturm gekommen und zum Teil gefallen. Über 1500 Menschen sind bei dem Angriff umgekommen. Mir hat er vielleicht das Leben gerettet. aufgeschrieben von Guido Berg
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