
© Andreas Klaer
Streit am Großen Zernsee: „Ich will meine Wiese zurück“
Zoff am Großen Zernsee: Ein Eigentümer ärgert sich über eine Straße, die sein Grundstück quert. Die Stadt soll sie jetzt entfernen.
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Potsdam - Mittags, an einem schönen Frühlingstag, werkeln die Hausbesitzer in der Straße Am Zernsee emsig in ihren Vorgärten. Schließlich müssen der Rasen gemäht, die Blumenbeete gepflegt werden. Auf dem Nachbargrundstück wartet ein noch winterlich eingepacktes Segelboot auf den ersten Ausflug in diesem Jahr. Vermutlich steht dieser erst in den Sommerferien an. Schilfbewachsen präsentiert sich das Ufer des Großen Zernsees, im Hintergrund ist die Silhouette von Werder (Havel) zu erkennen.
Doch die Idylle ist sichtlich getrübt. Als Sepp Franz den kleinen Schotterweg entlanggeht, leeren sich die Vorgärten schnell, die Bewohner gehen lieber in ihre Häuser, vereinzelt bewegen sich Gardinen hinter geschlossenen Fenstern der Bungalowsiedlung. Hier, zwischen dem Gut Schloss Golm und der Stadtgrenze zu Werder, tobt seit Jahren ein bizarrer Rechtsstreit um Wegerechte und Zugänge. Franz hatte noch zu DDR-Zeiten hier ein kleines unbebautes Grundstück von vielleicht 200 Quadratmetern Größe direkt am See erworben. Das Dumme dabei: Durch dieses Grundstück führt der derzeit einzige Weg in die Siedlung.
Gericht urteilte im Sinn von den Eigentümern
„Wir haben das Grundstück 1968 gekauft, und zwar eines, über das niemand laufen sollte“, sagte Franz den PNN. „Ich will meine Wiese zurück“, ergänzt der nicht mehr ganz so junge Mann, der sein Alter nicht verraten will. Ursprünglich gehörte das Land einem Obstgärtner aus der Region. Erst später, 1978, sei dann in der Nachbarschaft die Bungalowsiedlung gebaut worden. Betreiber war die Interessengemeinschaft Bungalowsiedlung Golm – Am Zernsee, deren Mitglied auch die am Zernsee gelegene Landesproduktionsgesellschaft (LPG) war.
Die Wochenendhäuschen sind mittlerweile zu richtigen Wohnhäusern geworden, vereinzelt lugt ein Bootssteg zwischen dem Schilf hervor, auch eine privat betriebene Marina im sogenannten Mäuseturm gibt es. Mittlerweile geht der Streit zwischen der Stadt Potsdam und dem Ehepaar Sepp und Irene Franz schon fast ins vierte Jahr. Zweimal war das Verwaltungsgericht Potsdam damit befasst. Die Richter urteilten im Sinne von Sepp und Irene Franz, der Eigentümerin. Bei dem Weg, der das Grundstück quert, handele es sich nicht um eine öffentliche Straße, sondern um einen Privatweg, hieß es in den Urteilen, in denen es nicht um die Straße selbst, sondern um Kostenbescheide und Bußgelder ging.
Stadt soll Straße entfernen
Zwar wurde 1978 eine Nutzungsvereinbarung für das Grundstück der Franzens festgeschrieben, damit die Baufahrzeuge die Bungalowsiedlung erreichen konnten. Für eine öffentliche Straße sei dies aber auch nach DDR-Recht nicht ausreichend gewesen, heißt es in einem Urteil der Richter aus dem vergangenen Jahr. Dennoch führt die Straße weiterhin über die Wiese von Sepp Franz und seiner Frau, weshalb die beiden jetzt erneut Klage eingereicht haben. Sie wollen erreichen, dass die Stadt den Weg auf ihrem Grundstück entfernen muss.
Die Straße verläuft von Gut Schloss Golm parallel zum Wasser am Pumpwerk vorbei Richtung Bahndamm der Strecke Berlin-Magdeburg. Mitten in diesem Verlauf liegt direkt am Pumpwerk das kleine Grundstück der Familie Franz. Sie beginne im Norden am Gut und ende im Süden dort, wo auch der Asphaltbelag aufhöre – nämlich wenige Meter vor dem Grundstück, beschreibt Franz die Lage. Danach führt die Straße tatsächlich über Betonplatten à la DDR-Bauart.
Paar war kompromissbereit
Nein, er wolle den Anrainern südlich seines Grundstückes nichts Böses, betonte Franz nun. Im Notfall dürfe die Straße natürlich genutzt werden, etwa für Krankenwagen. Aber man stelle sich nur mal vor, es passiere etwas auf seinem Grundstück. Ein Unfall etwa mit dem Auto, oder jemand stürzt. Dann werde doch der Eigentümer für die Folgen haftbar gemacht, sagte er. Auch liege das Flurstück an einem Naturschutzgebiet. Hier gibt es Gasleitungen unter der Erde, Abwasser und mehr. „Das geht hier aber nicht“, betonte Franz.
Das Paar bot bereits in der Vergangenheit einen Kompromiss an. Die Anrainer müssten schließlich zu ihren Häusern kommen, vielleicht am Rand des umstrittenen Stückchens Erde entlang und nicht wie jetzt mitten hindurch. Die Straße könne ja um sein Grundstück herum führen, schlug er vor. Dann müsste sie aber den beschaulichen Garten seines Nachbarn durchschneiden – was dieser vermutlich ebenfalls nicht so nett findet.
Ende 2011 war es, als Sepp Franz anfing, das Grundstück von dem dort abgeladenen Schutt zu säubern, der durch die Bauarbeiten für die Datschensiedlung angefallen war und dort seit Jahrzehnten vor sich hin rottete. Dabei setzte er auch einen Bagger ein und räumte dabei gleich die Betonplatten der Straße mit weg. Hier schritt die Stadtverwaltung ein. Eine vierstellige Geldbuße wurde angedroht, zugleich machte die Stadt das Ehepaar für die Schäden an der Straße haftbar. Metallgitter wurden aufgestellt, die aber sogleich wieder von Sepp Franz entfernt wurden – mit dem Hinweis, dass die Stadt auf seinem Grundstück nicht „irgendwelche Sachen einbauen“ dürfe. Schließlich forderte die Stadt ihn auf, für die Schäden aufzukommen. Sie müsse wiederhergestellt werden – Franz erhielt einen Kostenbescheid und zog vor Gericht.
Die Stadt reagierte nicht
Zumindest in diesen zwei bereits erfolgten Rechtsstreitigkeiten – Kostenbescheid und Bußgeld – bekamen Irene und Sepp Franz Recht. Der Kostenbescheid und das Bußgeld von 2500 Euro wurden im vergangenen Jahr durch das Verwaltungsgericht Potsdam aufgehoben. Begründung: „Es handelte sich bei der Straße Am Zernsee um eine Privatstraße, die auch öffentlich genutzt wurde“, wie es in dem Urteil heißt.
Im März nun schrieb Franz über seinen Anwalt Christoph Partsch an die Stadtverwaltung und forderte diese auf, die Straße innerhalb einer gesetzten Frist zu entfernen. Die Stadt reagierte nicht, also landete der Fall erneut beim Verwaltungsgericht.
Auch die Stadtverwaltung räumt mittlerweile ein, dass es sich bei der Straße um einen Privatweg handelt. Sie verlaufe über 57 in Privateigentum befindliche Flurstücke, sieben davon befänden sich im Eigentum der Stadt, teilte ein Sprecher mit. Allerdings sei dies der einzige Zugang zu den anderen 35 Grundstücken. Eine „Ersatzerschließung“ sei wegen der Besonderheiten des Geländes als Landschaftsschutzgebiet nicht möglich.
Eigentümer will um sein Grundstück kämpfen
Es gab in den vergangenen Jahren durchaus Versuche, das Grundstück von Sepp und Irene Franz und die der anderen Eigentümer abzukaufen. Dies sei aber von den Eigentümern stets abgelehnt worden. Grundsätzlich strebt die Stadt demnach eine „einvernehmliche Lösung in dem Rechtsstreit“ an, um „nachteilige Auswirkungen auf die betroffenen Anlieger so gering wie möglich zu halten“, teilte ein Stadtsprecher mit.
Er wolle um sein Grundstück kämpfen, auch wenn es lange dauert, sagte dazu Sepp Franz. „So wie es sich in einem Rechtstaat gehört.“ Er akzeptiere keine „Willkürentscheidungen“, fügte er hinzu. Eine ziemlich verfahrene Situation. Bis auf die Tatsache, dass Franz auch Eigentümer eines Grundstückes auf der anderen Seite der Bungalowsiedlung ist. Dort könne eine Straße gebaut und somit die Parzellen erschlossen werden, schlägt er vor und betont: „Ich schenke das Grundstück auch der Stadt.“ Oder es gibt einen Tausch. „Gegen ein anderes vergleichbares Grundstück, das der Stadt gehört.“ Davon habe Potsdam doch genug.
Stefan Engelbrecht
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