Landeshauptstadt: „Ich wollte niemanden betrügen“
Bezog Oberstaatsanwalt Trennungsgeld und Reisebeihilfe zu Unrecht?/Verteidigung warf Anklagebehörde „tendenziöse Ermittlungen“ vor/Prozess wird Freitag fortgesetzt
Stand:
Bezog Oberstaatsanwalt Trennungsgeld und Reisebeihilfe zu Unrecht?/Verteidigung warf Anklagebehörde „tendenziöse Ermittlungen“ vor/Prozess wird Freitag fortgesetzt Von Gabriele Hohenstein Eigentlich wollte Oberstaatsanwalt Rüdiger H. (54) zum Betrugsvorwurf vor Gericht nichts sagen. Sein Mandant habe sich während des Ermittlungsverfahrens ausgiebig geäußert und versucht, sämtliche ihn belastende Fakten zu entkräften, so Verteidiger Veikko Bartel. Später geht doch das Temperament mit dem Angeklagten durch. Er habe sich beim Ausfüllen der Formulare zur Bewilligung von Trennungsgeld und Reisebeihilfe stets an die Wahrheit gehalten, betont der aus Nordrhein-Westfalen abgeordnete Jurist. Einmal sei er längere Zeit krank gewesen, habe die Anträge danach rückwirkend „so gut wie möglich“ erstellt. Da könne ihm unter Umständen ein Irrtum unterlaufen sein. Allerdings habe er es mit der genauen Uhrzeit der Heimreise nach Mühlheim an der Ruhr sowie der Rückfahrt nicht so genau genommen. „Ich habe halt eine bestimmte Zeit eingetragen, weil es die Kostenbeamtin der Staatsanwaltschaft gern gesehen hat“, erklärt Rüdiger H., begründet damit, wieso gegen 16 Uhr in Berlin eine Barabhebung von seinem Konto erfolgte, obwohl er eigentlich seit 15 Uhr in Richtung Heimat unterwegs gewesen sein will. Laut Anklage soll Rüdiger H. – zuerst bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft, danach bei der Ermittlungsbehörde in Neuruppin tätig – von Dezember 2000 bis zum 5. August 2002 in 24 Fällen zu Unrecht Trennungsgeld und Reisebeihilfe kassiert haben. Drei weitere Anträge ließen sich nicht in klingende Münze verwandeln, da der Dienstherr Verdacht schöpfte. Insgesamt soll der Staatskasse ein Schaden von rund 2100 Euro entstanden sein. Obwohl in Scheidung lebend und längst mit einer neuen Partnerin liiert, soll Rüdiger H. wahrheitswidrig behauptet haben, nach wie vor in häuslicher Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen in dem gemeinsamen Haus zu wohnen, was Voraussetzung zur Zahlung der Bezüge war. „Die Anklageschrift hat gravierende Mängel“, rügt der Verteidiger zu Prozessbeginn und wirft der Staatsanwaltschaft „einseitige und tendenziöse Ermittlungen“ vor. Als objektivste Behörde der Welt sei sie in der Pflicht, nicht nur belastende, sondern auch sämtliche seinen Mandanten entlastenden Momente ins Feld zu führen. Dies sei im konkreten Fall für ihn nicht ersichtlich. „Ich beantrage deshalb, das Verfahren einzustellen.“ Das sieht der Vorsitzende Richter Francois Eckardt allerdings nicht so. „Es sind auch günstige Umstände berücksichtigt worden“, stellt er klar, lässt als erste Zeugen die Noch-Ehefrau von Rüdiger H. sowie die gemeinsamen zwei Söhne in den Verhandlungssaal rufen. Alle drei verweigern die Aussage. Kornelia S. (40) – eine Kollegin des Angeklagten – gibt hingegen an, den Juristen an einem Freitagabend, an dem er laut eigenen Bekundungen krankheitshalber in Mühlheim weilte, in Begleitung einer „jüngeren blonden Dame“ in Berlin-Kreuzberg gesehen zu haben. Obwohl der Angeklagte im Juni 2001 einen Scheidungsantrag stellte, in welchem sein Anwalt formulierte, Rüdiger H. habe seit dem Sommer 2000 eine ständige Freundin, mit der er den größten Teil seiner Freizeit sowie die Wochenenden verbringe und lebe seit Dezember 2000 dauernd von seiner Ehefrau getrennt, versichert dieser: „Unsere häusliche Gemeinschaft bestand bis Mitte 2002.“ Die Gelder hätten ihm somit zugestanden. Dem hält der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Helmut Lange, entgegen: „Sie haben ab Januar 2001 regelmäßig Unterhalt für Ihre Ehefrau überwiesen. Das korrespondiert mit den Angaben im Scheidungsantrag.“ Die Verhandlung wird am kommenden Freitag u. a. mit der Vernehmung der jetzigen Lebensgefährtin des Angeklagten fortgesetzt.
Gabriele Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: