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Aus dem GERICHTSSAAL: „Ich wusste nicht, wer Erbe ist!“

Altenpflegerin sieht sich zu Unrecht des Betruges bezichtigt

Stand:

Zu Prozessbeginn lässt Juliane J. (29, Name geändert) ihren Verteidiger reden. Die Altenpflegerin fühlt sich von dem Betrugsvorwurf schwer getroffen. Sie soll das Konto des von ihr seit Jahren betreuten Fritz F.* nach dessen Tod am 4. Januar 2007 um 500 Euro erleichtert haben. „Das ist gänzlich unzutreffend“, führt der Rechtsanwalt aus. „Es war der Wunsch des Verstorbenen, dass meine Mandantin neben der Pflege auch sämtliche Einkäufe für ihn erledigt. Dafür händigte er ihr seine EC-Karte und die Geheimnummer aus.“ Die letzte Abhebung vom Sparkassenautomaten in der Waldstadt erfolgte am 31. Dezember 2006. Da lebte Fritz F. noch. Danach musste Juliane J. wegen einer Erkrankung das Bett hüten. Die für Januar vorgesehenen 500 Euro des 87-Jährigen verblieben bei ihr. Am 4. Januar wurde sie vom Ableben des alten Herrn informiert. „Meine Mandantin hatte nie die Absicht, sich das Geld anzueignen. Es liegt bis heute bei ihr“, führt der Jurist aus. „Ich wusste einfach nicht, wer Erbe ist“, meldet sich die Angeklagte nun zu Wort. In den ganzen sieben Jahren, in denen ich den Opi, wie ich ihn immer nannte, gepflegt habe, hat sich sein Sohn nicht einmal blicken lassen. Dabei wohnt er auch in Potsdam. Hätte ich ihn gekannt, wäre das alles anders gelaufen.“ „Am 2. Januar habe ich dem Opa gesagt, das Juliane krank ist“, berichtet die Mutter der Angeklagten. Auch sie und die Nachbarn kümmerten sich um den hör- und sehbehinderten Rentner, der das Haus noch regelmäßig verließ. „Seine Pulle Schluck hat er sich immer selber gekauft. Den Großeinkauf haben Juliane und ihr Lebensgefährte für ihn erledigt.“

„Ich war erbost über das Aussehen der Wohnung. Die Toilette war von Katzenstreu verstopft. Ein Schweinestall ist wohnlich dagegen“, schimpft der Sohn des Verstorbenen im Zeugenstand. Er habe Juliane J. schriftlich aufgefordert, sich zum Verbleib der 500 Euro zu äußern. „Ich habe kein Geld und musste einen Kredit aufnehmen, um Vater bestatten zu lassen. Und da konnte ich auch nur das billigste nehmen.“ „Ich hätte gern an der Beerdigung teilgenommen. Aber das hat er mir verboten“, wirft die Angeklagte ein. „Dabei war das zwischen Opi und mir schon fast ein Vater-Tochter-Verhältnis. Ich habe ihn gern gepflegt und hatte nie die Absicht, ihn auszunehmen.“

Der Staatsanwalt schlägt vor, Juliane J. möge die 500 Euro umgehend in der Kanzlei ihres Anwalts deponieren. Dort könne sie sich der Sohn und rechtmäßige Erbe von Fritz F. gegen Quittung abholen. Heute gibt es einen Fortsetzungstermin in dieser Sache. Hat es mit der Geldübergabe geklappt, ist die Pflegerin den Makel des Betruges los. Hoga

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