zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: „Ich zähle bis drei, dann ist die Zigarette aus!“

Anklage: Schülerin geschlagen, weil sie im Nichtraucherbereich des Hauptbahnhofs rauchte

Stand:

Sandy S.* (21) glaubt noch heute, der Angeklagte wollte sie aufs Gleis stoßen. „Ich habe ihr nur gesagt, ich zähle bis drei, dann ist die Zigarette aus“, kontert Frank F.* (30). Der bullige Kurierfahrer soll der zierlichen Schülerin am Morgen des 5. September 2005 einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt haben, weil sie sich im Nichtraucherbereich des Hauptbahnhofs eine Zigarette angezündet hatte. „Das war ein Fehler“, räumt Frank F. reumütig vor Gericht ein. „In meinen Schulzeugnissen stand schon immer, ich hätte ein hohes Gerechtigkeitsgefühl. Ich könne es nur nicht richtig umsetzen. Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen.“ „Sie sollten es einmal mit Antiaggressionstraining versuchen“, rät Amtsrichterin Waltraud Heep dem u. a. wegen mehrfacher Nötigung, Beleidigung und Bedrohung Vorbestraften. Dann fragt sie Sandy S., warum sie ihren Glimmstängel auf die Aufforderung hin nicht ausdrückte.

„Ich mache nicht alles, was mir fremde Menschen sagen“, entgegnet die im Prozess als Nebenklägerin Auftretende. „Außerdem rauchen dort alle.“ Anfangs habe sie den Mann ignoriert, der stürmischen Schritts auf sie zukam. Als das von ihm gestellte Ultimatum verstrichen war, sie die Zigarette nach wie vor in der Hand hielt, habe Frank F. ihre Arme ergriffen und versucht, sie auf die Schienen zu schubsen. „Ich wollte das nicht. Ich wusste, der Zug würde jeden Moment kommen“, schluchzt Sandy S. Aus Angst habe sie sich auf alle Viere fallen lassen. „Da packte er mich hinten am Hals und schlug mich ins Gesicht. Meine Nase fing an zu bluten.“ Der Arzt habe ihr später eine Schädel- sowie eine Nasenprellung und Hämatome an den Oberarmen attestiert. Seit jenem Vorfall habe sie Angst, den Bahnhof alleine zu betreten, berichtet die Berlinerin. Dann beklagt sie noch: „Es standen so viele Leute herum. Aber niemand griff ein.“

„Die junge Frau kniete zitternd und blutend unmittelbar vor dem Sicherheitsstreifen der Bahnsteigkante. Mit den Händen stützte sie sich am Boden ab“, erinnert sich eine als Zeugin geladene Bahnmitarbeiterin. „Der Angeklagte stand in der Nähe und wollte helfen. Er fragte mich, ob er bleiben müsse und gab mir seine Personalien. Er bestritt auch nicht, Schuld an den Verletzungen zu sein.“ Das war vorsätzliche Körperverletzung, befindet die Vorsitzende und verurteilt Frank F. zu vier Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie zur Zahlung von 500 Euro an sein Opfer. Mit dieser Sanktion toppt sie den Antrag von Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertreter Hans-Jürgen Kernbach, die eine Geldstrafe von 1800 Euro forderten. (*Namen geändert.) Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })