Landeshauptstadt: Idyll mit Schlaglöchern Fahrlands Neubürger beklagen gegenüber Oberbürgermeister Mängel in der Lebensqualität
Fahrland - Im 1200 Einwohner zählenden Neu Fahrland soll auf 600 Quadratmeter Fläche ein Einkaufszentrum gebaut werden. Der benachbarte, mehr als dreimal so große Ortsteil Fahrland aber bleibt weiter auf bescheidene Möglichkeiten der Nahversorgung angewiesen.
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Fahrland - Im 1200 Einwohner zählenden Neu Fahrland soll auf 600 Quadratmeter Fläche ein Einkaufszentrum gebaut werden. Der benachbarte, mehr als dreimal so große Ortsteil Fahrland aber bleibt weiter auf bescheidene Möglichkeiten der Nahversorgung angewiesen. Die Siedlungsbaugesellschaft Semmelhaack will auf die ursprünglich für Einkaufsstätten vorgesehene Fläche nunmehr weitere 72 Wohnungen setzen, womit Fahrland auf mehr als 4000 Einwohner wachsen wird. Ihnen stehen kaum Spezialgeschäfte zur Verfügung, nicht einmal eine Apotheke.
Diese Sorgen brachten vor allem in den letzten Jahren in die neuen Siedlungen zugezogene Einwohner vor, als am Montagabend Oberbürgermeister Jann Jakobs im vom Bürgerverein eingerichteten „Kulturladen“ (dem ehemaligen Dorfkonsum) zu Gast war. Seine „Bilanz einer Ehe – fünf Jahre Eingemeindung in Potsdams Norden“ fiel positiv aus. Die Landeshauptstadt habe seit der Eingemeindung 2003 die von der Gemeinde durch eine verfehlte Immobilienpolitik angehäufte Schuldenlast von 33 Millionen Euro übernommen und bis auf 6,5 Millionen abgebaut. Das Naturschutzgebiet Döberitzer Heide werde nach der Übergabe an die Sielmann-Stiftung zu einer touristischen Attraktion gestaltet, für die Krampnitzer Kasernen wurde ein solide erscheinender Investor gefunden, der hier ein Wohngebiet unter Wahrung der historischen Bausubstanz entwickeln wolle.
So recht punkten konnte Jakobs mit dieser Bilanz nicht. Diskussionsteilnehmer wiesen auf fehlende Möglichkeiten für die Jugend und den Sport hin, den „DDR- Charme“ der Kita und die miserablen Straßenzustand, so der von unbefestigten Gehwegen und leerstehenden Häusern gesäumten Ketziner Straße, auf der Schwerlastverkehr durch den alten Dorfkern donnert. Jakobs wies darauf hin, dass die freiwillig zu Potsdam gekommenen Dörfer vertraglich eine höhere finanzielle Förderung erhalten haben. Fahrland gehörte nicht dazu. Dieser auf fünf Jahre begrenzte Sonderstatus sei jedoch Ende 2008 ausgelaufen. Damit habe der Ortsbeirat bessere Möglichkeiten, bei der Stadtverwaltung beispielsweise eine Verbesserung der Straßenverhältnisse einzufordern. Ob Fahrland das gewünschte Einkaufzentrum erhalte, hänge davon ab, dass wie in Neu Fahrland ein Investor gefunden werde. Damit erteilte Jakobs, der den Ortsteil offiziell letztmals 2006 besucht hat, einer Mitverantwortung der Stadt für diese Fragen eine Absage.
Recht hatte der Oberbürgermeister zweifellos mit der Aufforderung an die Kritiker, den Ortsbeirat bei der Klärung ortsteilbezogener Fragen stärker zu unterstützen. Über dessen Tätigkeit gibt es bei den neu Zugezogenen offensichtlich Informationsdefizite. Wenn auch mit „Schlaglöchern“, so bleibt Fahrland doch eine Wohnidylle. Das beweist allein der enorme Zuzug. Für den Bürgerverein machte Thomas Linke darauf aufmerksam, dass die Kita „Fahrländer Landmäuse“ durch einen Dachausbau von 75 auf 96 Plätze erweitert wurde und neu möbliert wird. Neu gewonnen wurden acht Tagesmütter für 30 Kinder. Zudem wurde für den Ortsteil eine „Bürgerkonferenz“ mit bisher 30 Mitgliedern gegründet, in der alle aktuellen Probleme diskutiert werden. Wie weit Potsdam und sein Ortsteil Fahrland noch voneinander entfernt sind, wird auch an Kleinigkeiten deutlich: Der Kulturladen kündigte Oberbürgermeister Jacobs (statt Jakobs an), und von Potsdam aus findet sich auf Inseraten, Stadtplänen und auch in den Busfahrplänen der Fahrländer See. Er heißt aber Fahrlander See. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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