Von Birgit Lißke: „Ihr habt es selbst in der Hand!“
Kolja Schild ist stellvertretender Senatsvorsitzender an der Fachhochschule Potsdam und wirbt für studentische Gremienarbeit
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Kolja Schild entspricht nicht dem Bild, das man üblicherweise von Studenten hat. Er ist auf dem zweiten Bildungsweg zum Studium gekommen, hat zuvor viele Jahre im Handwerk gearbeitet, musste sich aus gesundheitlichen Gründen neu orientieren, hat das Fachabitur nachgeholt und wählte bewusst das Studium Sozialer Arbeit an der Fachhochschule Potsdam. Seinen Kommilitonen hat er ein paar Lebensjahre und damit auch Lebenserfahrung voraus, seine Statur und seine Stimme nötigen diesen Respekt ab.
Seit dem Wintersemester 2007/08 studiert Kolja Schild im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit. Politisches und soziales Engagement sind für den 44-Jährigen selbstverständlich und gehören zum Studieren dazu. Ihm macht es Spaß, mit den Professoren in den Gremien zusammenzuarbeiten und er empfindet es als Ehre, die Geschicke des Fachbereichs bzw. der Hochschule mitgestalten zu dürfen.
Bereits im zweiten Semester hat er angefangen, sich in der hochschulischen Selbstverwaltung zu engagieren, zunächst im Studierendenrat und als studentisches Mitglied im Fachbereichsrat Sozialwesen und seit nunmehr drei Semestern als studentisches Mitglied im Senat, dessen stellvertretender Vorsitzender er mittlerweile ist. Kolja Schild rät Studienanfängern, angesichts der verkürzten Studiendauer in Zeiten von Bachelor und Master, frühzeitig in die Gremien zu gehen und aktiv an der Gestaltung des Studiums mitzuwirken. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sich das Engagement lohnt, sich mit den richtigen Mitstreitern viel erreichen lässt – „auch wenn die Prozesse manchmal mühselig und langwierig sind“.
Möglichkeiten, sich einzubringen gibt es viele: Da sind zum einen der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) und die Studierendenräte (an der Uni Potsdam Fachschaftsräte genannt), die die studentischen Interessen in und außerhalb der Hochschule vertreten und die studentischen Aktivitäten koordinieren. Sie sind das „Sprachrohr“ der Studierenden und damit auch wichtige Ansprechpartner für die Hochschulleitung und die Dekane als die Verantwortlichen in den Fachbereichen bzw. Fakultäten. Sowohl der AStA als auch die Studierendenräte verfügen über eigene Budgets und können damit studentische Initiativen und Projekte fördern. Daneben gibt es die Fachbereichsräte (an der Uni Potsdam die Fakultätsräte) und den Senat, in denen die Studierenden jeweils eine eigene Gruppe bilden. Während die Fachbereichsräte die Dekane beaufsichtigen und für Belange des Fachbereichsrates zuständig sind, beaufsichtigt und begleitet der Senat die Amtsführung der Hochschulleitung.
Die Abstimmung zwischen den studentischen Interessensvertretungen und Gremienvertretern klappt nicht immer reibungslos. Zudem fällt es angesichts der schnellen Wechsel – die studentischen Vertreter werden jährlich gewählt – und der Vielfalt der zu behandelnden Themen schwer, Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen, nachzuhalten und insgesamt Kontinuität zu wahren. Bestes Beispiel ist der Bildungsstreik aus dem Jahr 2009. Damals wurde ein Bildungskomitee gebildet, ein Forderungskatalog aufgestellt und mit der Hochschulleitung intensive Diskussionen geführt. Ein Jahr danach existiert das Bildungskomitee zwar noch, aber nur auf dem Papier.
Als studentischer Vertreter fühlt sich Kolja Schild ernst genommen und akzeptiert: „Wir werden als studentische Vertreter immer einbezogen, egal, ob es um neue inhaltliche Schwerpunktsetzungen, die Studien- und Prüfungsorganisation, die Besetzung von Professorenstellen oder die Evaluation von Lehrveranstaltungen geht. Die Professoren animieren uns regelrecht, uns einzubringen, sehen in uns ein Korrektiv.“ Um so mehr wundert, ja ärgert ihn, dass sich vergleichsweise wenige Studierende in der Hochschulpolitik engagieren.
Ist es wirklich Desinteresse oder liegt es an der straffen Studienorganisation und dem hohen Pensum, das es im Studium zu bewältigen gilt, erst recht, wenn man nebenbei noch arbeiten muss? Kolja Schild ist sich da nicht sicher, wird aber nicht müde, für die hochschulische Selbstverwaltung zu werben, nicht zuletzt weil er überzeugt ist, dadurch viel für das spätere Leben gelernt zu haben, etwa seine Rolle zu finden, andere zu überzeugen, aber auch auf andere Positionen Rücksicht zu nehmen.
Als stellvertretender Senatsvorsitzender ist Kolja Schild sowohl studentischer Interessenvertreter wie Repräsentant der Hochschule, ein Spagat der nicht immer leicht zu meistern ist. Er weiß um die Vorbehalte, die seiner Kandidatur – von Seiten einiger Professoren – entgegenschlugen, war selbst zunächst unsicher den richtigen Ton zu finden, glaubt aber inzwischen akzeptiert zu sein und dazu beizutragen, der studentischen Sicht ein stärkeres Gewicht geben zu können. Für ihn hat sich das politische Engagement auch persönlich gelohnt. Er ist Stipendiat der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung und hat dadurch Zugang zu einem Netzwerk gefunden, das ihn in seinem weiteren beruflichen Weg sicher nützlich sein wird.
Birgit Lißke
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