Sport: Ihr neues Trikot faltet Cristiane wie ein Heiligtum Turbines Brasilianerin wird morgen in Potsdam erwartet

Von Rainer Hennies Nein, ganz leicht ist das alles nicht. Andere Sprache, andere Sitten, 30 Grad Temperatur- und vier Stunden Zeitunterschied. Sao Paulo ist gute elf Flugstunden entfernt. Anderes Essen, intensiveres Training. Die 19-jährige Cristiane Rozeira Souza da Silva steht vor ihrer ersten wirklichen Bewährungsprobe. Fern der Heimat kann sie erstmals vom Fußball leben. Ihr Berufsleben beim 1. FFC Turbine Potsdam beginnt noch in dieser Woche: Am morgigen Sonnabend wird sie an der Havel erwartet. Im Team ist Cristiane gehaltlich gut dotiert, ohne den Rahmen zu sprengen. International gilt sie durchaus noch als Schnäppchen. Billig war sie nicht, aber immerhin kam der Verein ohne Ablösezahlungen, Vermittlungsprovisionen und dergleichen aus, konnte sich großzügig zeigen und hat so die Achtung des brasilianischen Fußballverbandes (CBF) gewonnen. Was perspektivisch gesehen nicht von Nachteil sein muss, denn mit dem Cristiane-Wechsel betreten zwei Kulturen auf der Ebene des Frauenfußballs Neuland. Nun muss Cristiane keinesfalls bedauert werden, wie arm sie in der Fremde dran ist. Denn die „Turbienen“ tun alles Erdenkliche, um ihr schnellstmöglich das Fremde zur Heimat zu machen. Die Jogadora – so heißt „Spielerin“ auf portugiesisch – gilt zwar als still, denkt aber nicht oberflächlich, sondern versucht sehr genau ihr Gegenüber zu ergründen und sendet zahlreiche Signale zur Integration. Ihr dreitägiger Kurzbesuch, an dessen Ende die Vertragsunterschrift stand (PNN berichteten), diente bereits genau diesem Ziel: Kennenlernen der Personen, der Infrastruktur des Vereines. Erst danach wurde das Werk aufgesetzt und nach dem CBF-Okay per Handy auch unterzeichnet. Die Aktion hätte auch ins Auge gehen können, wenn die Spielerin sich unwohl gefühlt hätte. Schnell hat Cristiane begriffen, dass das Angebot von Turbine eine Art Glücksgriff ist. „Ich war schon sehr verwundert, als ich bei der U19-WM in Thailand dieses sehr detaillierte und offenbar genau durchdachte und interessante Angebot vorgestellt bekommen habe. Zumal dieses mit hochrangigen Vertretern der Sportart und ohne Druck geschehen ist“, sagte Cristiane im Nachhinein in Potsdam. Auch die Vertreter des CBF haben sehr schnell die Wertigkeit des Angebots für die Weiterentwicklung ihrer Spielerin erkannt und Turbines Ansinnen unterstützt, als es spät in die entscheidende Gesprächsphase ging. Das Vabanque-Spiel von hopp oder top wurde schnell top. Für Cristiane und für Turbine. Mit der Vertragsunterschrift bereits präsentierte Co-Trainer Dirk Heinrich das flugs beflockte Turbine-Trikot mit Name und Rückennummer 19. Als Reminiszenz an die U19-WM, die den Kontakt hatte entstehen lassen. Immer wieder hat Cristiane ihr Trikot gezeigt und liebevoll zusammengefaltet. Diese „19“ ist so etwas wie ein Heiligtum für sie. Denn es bestimmt den Anfang für einen neuen Lebensabschnitt. Am gleichen Abend noch überzeugte die Spielerin beim Hallentraining mit präzisen Schüssen und technischem Können. Turbines Kader scheint die Herausforderung bereits angenommen zu haben. So viel „brasilianisch“ haben die Kickerinnen im Trainingsspiel vermutlich noch nie gespielt. Trainer Bernd Schröder jedenfalls freut sich. Denn Leistung, so sagt er, werde im Team mit Ehrgeiz und Gegenleistung anerkannt. Der Wettkampf im Team und damit auch die Integration habe offenbar längst begonnen. Zwischen Trainer und Spielerin funkte es ohnehin von der ersten Sekunde an. Das gemeinsame Sponsoren-Abendessen war ein weiterer Glücksfall. Mit Wörterbuch und mehr kommunizierten Team und Neuzugang bereits prächtig. Conny Pohlers, durch ihr USA-Engagement und die Teamkameradschaft zur spanischsprachigen Mexikanerin Maribel Dominguez ohnehin erfahren in solchen Dingen, brach sofort das Eis. Die ersten Namen hat Cristiane bereits gelernt. Conny (Pohlers), Ommel (Navina Omilade), Britta (Carlson) oder vielleicht doch Petra? Heini (Dirk Heinrichs) und Schrödi (Bernd Schröder). Dass die Brasilianerin genau einen Tag vor Anja Mittag 20. Geburtstag hat, haben beide Stürmerinnen bereits festgestellt und daraus schon jetzt eine größere Fete abgeleitet. Cristiane kann kommen.

Rainer Hennies