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Landeshauptstadt: Im Dornröschenschlaf

Die Krampnitzkaserne verfällt und wuchert langsam zu. Doch schon in wenigen Jahren sollen dort Tausende Menschen wohnen

Von Katharina Wiechers

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Von der Decke des einstigen Mannschaftsgebäudes tropft Regenwasser, auf dem Fenstersims wächst Unkraut und im morschen Treppenhaus hüpfen kleine Frösche umher. Die Natur hat sich die Bauten auf dem seit über 20 Jahren brach liegenden Kasernengelände in Krampnitz im wahrsten Sinne zurückerobert. Doch schon in wenigen Jahren sollen die Dächer der denkmalgeschützen Häuser aus den 1930er-Jahren geflickt, die Fenster ersetzt und Familien eingezogen sein. Denn die Stadtverwaltung will aus Krampnitz ein neues Wohnviertel machen, eines Tages sollen in sanierten und neu errichteten Gebäuden 3800 Menschen leben. Noch ist man allerdings mit der Planung beschäftigt – und dem Kampf gegen den weiteren Verfall.

„95 Prozent des Baumbestandes hier ist Wildwuchs“, sagt Hubert Lakenbrink und zeigt auf den Wald zwischen den meist dreistöckigen Gebäuden. Er koordiniert das Großprojekt Krampnitz für die städtische Bauholding Pro Potsdam und kennt das Gelände wie kaum ein Zweiter. Zu Beginn des Jahres seien bereits die ersten wild gewachsenen Bäume gefällt und Gestrüpp entfernt worden, erzählt er. Im Herbst soll es weitergehen. Außerdem sollen die Gebäude endlich gegen das eindringende Wasser geschützt werden, zum Beispiel mit Folien. An manchen Stellen ist es dafür aber schon zu spät, wie etwa in einer einstigen Turnhalle für die Rote Armee. Dort hat die Feuchtigkeit den Boden derart aufquellen lassen, dass eine regelrechte Hügellandschaft entstanden und an ein Betreten nicht mehr zu denken ist.

Die Turnhalle, die an eines der Mannschaftsgebäude anschließt, gehört ohnehin zu den Teilen, die abgerissen werden sollen – schließlich gehört sie nicht zur Originalbebauung, sondern wurde später von den sowjetischen Truppen errichtet. Genauso wie die 1980er-Jahre-Plattenbauten im Süden des Geländes, die Panzerwerkstätten und anderen Militärbauten aus der Sowjetzeit.

Noch unklar ist hingegen, was mit dem sogenannten Bergviertel passiert. Auch dieses steht – wie die Mannschaftsgebäude, der Turm oder das Casino – unter Denkmalschutz. Doch ein Gutachten, das derzeit erstellt wird, könnte auch ergeben, dass einzelne Gebäude nicht mehr zu retten sind und doch abgerissen werden müssen, wie Lakenbrink sagt. Nachdem die Kaserne 1939 fertiggestellt wurde, wohnten in insgesamt 50 Wohnungen zunächst die Familien der Berufssoldaten, Handwerker und auch ganz normale Bürger in den gelb angestrichenen, zweistöckigen Häuschen. Sie lagen außerhalb der eigentlichen „Heeres Reit- und Fahrschule und Kavallerieschule Krampnitz“ – erst als die Russen das Gelände nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen, zäunten sie das Bergviertel mit ein. „Städtebaulich ist das hier großartig“, schwärmt Lakenbrink – von Haus aus Architekt. Zwischen Straße und Häusern war jeweils ein wenige Meter breiter Grünstreifen, der sozusagen Halböffentlichkeit herstellte. Zwischen den einzelnen Gebäuden verliefen hingegen niedrige Mauern, die die hinteren Gärten klar von der Straße abgrenzten. „Wenn wir die Häuser abreißen müssen, wollen wir das in einer ähnlichen Form wieder bauen. In seiner Einfachheit ist das genial.“

In jedem Fall erhalten bleiben sollen die rund 30 Mannschaftsgebäude. Die Backsteinriegel werden voraussichtlich zu Mehrfamilienhäusern umgebaut und als Mietwohnungen angeboten. Möglich wäre aber zum Beispiel auch ein Altenheim in einem der Bauten, sagt Lakenbrink. „Die Gänge sind breit genug. Und durch die Türen kriegen Sie locker ein Bett geschoben.“

Unklar ist auch noch, was mit den sogenannten Sondergebäuden unweit des Turms am Krampnitz-See passieren soll, also etwa mit dem Casino. Noch heute strahlt dies den Glanz längst vergangener Zeiten aus: Ledertapeten an den Wänden, ein glitzerndes Mosaik an der Decke und meterhohe Fenster. Im Freien lud früher ein Innenhof mit Springbrunnen und eine Terrasse mit Seeblick zum Verweilen ein – auch Letzterer ist mittlerweile nahezu völlig zugewuchert. Anbieten würde sich eine kulturelle Nutzung oder ein Tagungszentrum, sagt Lakenbrink. „Die Frage ist aber, wer das betreiben soll.“ Schließlich muss sich das neue Viertel finanziell tragen (siehe Kasten).

Wie das Casino oder auch das Fähnrichsheim mit seinem angeschlossenen Theater – ein einst prunkvoller Raum mit Bühne, Kassettendecke und Empore – genutzt werden kann, soll in einem städtebaulichen Wettbewerb geklärt werden. Ebenfalls gefordert sind dann Vorschläge dazu, wie die Kaserne mit dem Krampnitz-See verbunden werden kann – derzeit bildet die Bundesstraße 2 noch eine nicht ungefährliche Schneise. Der Wettbewerb wird noch in diesem Jahr beginnen, weitere sollen folgen.

Schon im Frühjahr 2015 soll mit den ersten Bauarbeiten begonnen werden, unter anderem müssen die Straßen grundlegend saniert werden. Denn nicht nur die Witterung, auch die vielfache Nutzung des Geländes als Filmkulisse hat ihre Spuren hinterlassen. Mehrere große Schlaglöcher seien allein in den vergangenen Wochen entstanden, heißt es, weil die Lastkraftwagen des Drehteams für den Hollywood-Kassenschlager „Tribute von Panem“ über das historische Pflaster donnerten. Doch damit ist demnächst Schluss. Nicht nur die Natur muss die Brache dann wieder hergeben, auch die Filmindustrie.

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