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Landeshauptstadt: Im dreizehnten Monat

Das Seniorentheater „Rollentausch“ probt für das Berliner Festival „100 Grad“

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„Weg mit den Gefühlen! Nur noch Text, Text, Text“ fordert Johanna Lesch von ihrem Ensemble. Die sieben Senioren, zwischen 54 und 81 Jahre alt, sollen nach dem Willen der Regisseurin auf der Bühne jegliche Alters-Sentimentalität ablegen und stattdessen optimistisch und humorvoll auftreten: „Motzt das Publikum an!“ rät sie ihrer Laiengruppe. „Roootziger“ sollen sie spielen, wobei Lesch das „o“ scheinbar endlos dehnt, als ob sie damit den Senioren jegliches Lampenfieber austreiben wollte.

Bis zum kommenden Wochenende hat sie dafür noch Zeit. Dann nämlich ist die Premiere von „Die 13 Monate“. Die Adaptation des Gedichtzyklus von Erich Kästner wird am Samstag um 18 Uhr im Rahmen des Theater-Festivals „100 Grad“ in den Berliner Sophiensälen aufgeführt. Hierfür habe die Gruppe über ein halbes Jahr lang Woche für Woche geprobt. Die Arbeit mit einer Seniorengruppe erfordere dabei viel Geduld, so Lesch. Die Schauspieler hätten schlichtweg Schwierigkeiten, sich den Text zu merken. Doch fordert sie immer wieder dazu auf, aus der Not eine Tugend zu machen und kleine Aussetzer mit Humor zu nehmen.

Dass auch Themen wie Tod, Altersheim und Einsamkeit humorvoll aufgearbeitet werden können, hat das „Generationstheater Rollentausch“, wie sich die Gruppe um Lesch nennt, bereits beweisen können: Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 ist „Der 13. Monat“ bereits das vierte Stück, das die Theatergruppe auf die Bühne bringt. Mit einer Länge von einer halben Stunde habe man sich diesmal allerdings bewusst kurz gefasst, um auch für private Anlässe gebucht zu werden.

Von Anfang an dabei ist Irmgard Wolf („August“). Die 74-Jährige wollte schon immer Theater spielen, sei dazu in ihrer beruflich aktiven Zeit als Veterinär-Ingenieurin aber nie gekommen. Erst mit der Pensionierung konnte sie ihren Traum verwirklichen. Bei früheren Inszenierungen nun habe sie immer „Hosenrollen“, also Männerparts, übernommen, erzählt sie mit einem mädchenhaften Lächeln. Mit 67 Jahren etwa spielte sie in dem Stück „Tschatten.de“ einen Skateboard-fahrenden Rapper. Der Grund ist offensichtlich - neben sechs Damen steht nur ein Herr auf der Bühne.

Den Zyklus „Die 13 Monate“ schrieb Erich Kästner im Jahr 1954 als Auftragsarbeit für eine Zeitung. In zwölf abgeschlossenen Gedichten fängt Kästner die Einmaligkeit eines jeden Monats von Januar bis Dezember in bunten Bildern ein. Irmgard Wolf und ihre Schauspielkollegen stehen, tanzen, schreien, surren und singen dabei um einen großen Kalender herum, während einer der Darsteller in die Rolle der jeweiligen Jahreszeit schlüpft. Zum Finale, dem „dreizehnten Monat“, stimmen dann sämtliche Schauspieler wie in einem Chor ein: Wie soll er aussehen, der ideale 13. Monat? Frühlingshaft wie der April oder schneeweiß wie der Januar? Ein Streitgespräch entbrennt, an dessen Ende nur die Einsicht stehen kann: Die Schönheit liegt gerade im Wechselspiel - „Im Kreise geht die Reise“. FvH/MB

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