Landeshauptstadt: Im Drogenrausch Rentner attackiert
78-Jähriger erlitt Verletzung am Auge/Mittäter freigesprochen
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78-Jähriger erlitt Verletzung am Auge/Mittäter freigesprochen AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Die Senioren kamen von einer Theatervorstellung und wollten nach Hause. Gut gelaunt standen sie in der Nacht des 23. Oktober 2002 an der Straßenbahnhaltestelle Johannes-Kepler-Platz, als zwei junge Männer ihre Fröhlichkeit offenbar falsch verstanden. Laut Anklage trat einer auf die Gruppe zu, verpasste einem 78-Jährigen einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. Der alte Herr kippte nach hinten, erlitt durch die Misshandlung eine Schädelprellung und eine Verletzung am Auge. Der Kumpel des Angreifers näherte sich einer Frau mit einer brennenden Zigarette, soll versucht haben, sie ihr im Gesicht auszudrücken. Den zu Hilfe gerufenen Polizisten gegenüber soll sich der Potsdamer wie wild gebärdet, sie übel beleidigt und in den Funkstreifenwagen gespuckt haben. „Ich kann nicht ausschließen, den älteren Mann geschlagen zu haben. Allerdings habe ich keine Erinnerung daran“, beteuert Jo Z. (22) vor Gericht. „Ich weiß nur noch, dass er plötzlich am Boden lag.“ Die dem Lehrling später entnommene Blutprobe wies eine Äthanolkonzentration von 2,48 Promille und Spuren von Drogen auf. Sein Kumpel Jens K. (22) war mit 0,91 Promille zwar wesentlich weniger alkoholisiert, stand aber offensichtlich völlig neben sich. Der zur Verhandlung geladene psychiatrische Gutachter bescheinigt ihm eine durch jahrelangen Cannabisgebrauch begünstigte psychotische Störung, die ihn zum Tatzeitpunkt schuldunfähig erscheinen ließ. Ein Merkmal der Erkrankung, die inzwischen medikamentös unter Kontrolle ist, sei eine wahnhafte Verkennung der Realität. „Ich dachte, die Leute lachen uns aus“, berichtet Jens K. Deshalb sei er auf die Gruppe zugegangen. „Ich wollte aber niemanden mit einer Kippe verletzten“, versichert er. „Zuerst haben wir nur miteinander gerangelt, und ich glaubte, die Sache sei ausgestanden“, erinnert sich Horst M. (79) der Begegnung mit Jo Z. im Zeugenstand. „Auf einmal holte er aus und schlug mir die Faust aufs Auge.“ Wenige Tage später habe sich der junge Mann schriftlich bei ihm entschuldigt. „Wäre ich nicht zurückgetreten, hätte mir Jens K. die Zigarette auf der Stirn ausgedrückt“, mutmaßt Hannelore T. (60). „Ich bin bestimmt nicht schüchtern, aber in diesem Moment hatte ich ganz schönen Schiss, zumal er einen großen Hund dabei hatte.“ „Es war das Letzte, einen alten Mann zu schlagen“, meint Jo Z. – u. a. vorbelastet wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Körperverletzung sowie räuberischen Diebstahls – reumütig. Jens K. – vorbestraft wegen unzähliger Diebstähle, Körperverletzung und Beleidigung – will nichts mehr sagen. Das Urteil: 15 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung (unter Einbeziehung eines früheren Urteils) wegen gefährlicher Körperverletzung für Jo Z. Freispruch wegen Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt für Jens K.
Gabriele Hohenstein
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