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Von Peer Straube: Im Stuhlgang des Kaisers

Endspurt bei den Restaurierungsarbeiten im Unteren Fürstenquartier des Neuen Palais’

Von Peer Straube

Stand:

Sanssouci - Der Stuhlgang. Das klingt, nun ja, zumindest nicht besonders majestätisch, pietätvoll ausgedrückt. Benannt nach seiner Funktion im 19. Jahrhundert – als Lagerraum für Stühle – hat es mit dem schmalen, unspektakulär wirkenden Raum dennoch eine besondere Bewandtnis. Er bildet das Entrée zum Unteren Fürstenquartier im Neuen Palais.

Als Friedrich II. 1769 sein größtes und letztes Schloss fertig gebaut hatte, dienten die Räume des Fürstenquartiers – genau, Blaublütigen als Gästewohnung. Rund ein Dutzend Zimmer umfasst der Bereich, vier davon hat seit fast 30 Jahren kein Besucher mehr betreten. 1983 wurden sie gesperrt, wegen Bauschäden. Noch in den 80er Jahren wurde mit der Restaurierung begonnen – und nach der Wende wieder aufgehört. Man hatte andere Sorgen. Doch weil der Alte Fritz im nächsten Jahr 300 Jahre alt geworden wäre und die Schlösserstiftung das Jubiläum vor allem im Neuen Palais feiern will, soll auch das Untere Fürstenquartier wieder in alter Pracht erstrahlen. Seit vier Jahren wird in den Räumen wieder gearbeitet. Auch im Stuhlgang.

Restauratorin Verena Göttel lässt den Blick schweifen. Aus Friedrichs Zeiten stammt hier wohl gar nichts mehr. Die Ornamente an den mit Holz vertäfelten Wänden sind vermutlich im 19. Jahrhundert bemalt worden, ihren beige- und rosafarbenen Rahmen erhielten sie in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Da Originalbefunde nicht mehr vorhanden sind, soll der vorhandene Anstrich konserviert werden. Es wäre sicher spannend, den Anblick zu sehen, den der Stuhlgang zur Kaiserzeit geboten hat – war er doch der private Zugang Wilhelms II. und seiner Frau zum Neuen Palais, wie Göttel erzählt. Dort fuhr das Herrscherpaar mit seinen Prunkkarossen vor und schritt durch den Stuhlgang zum Lift, den sich der technikbegeisterte Monarch eigens hatte einbauen lassen. Der Aufzug existiert übrigens noch heute und soll als Denkmal bewahrt werden. Gleich nebenan, im Ovalen Kabinett, sind die Spuren der DDR-Restaurierung deutlich zu sehen. Im „Tassenkopf“, wie der Raum wegen seiner Deckenwölbung auch genannt wird, ist eine Hälfte der Wände hell, die andere dunkel. Die helle sei bereits in den 80er Jahren gereinigt worden, jetzt kommt die andere dran. Mit drei bis vier Schichten Lack will man den Raum dann wieder versiegeln. Der Lack werde dem Originalrezept nachgekocht, sagt Göttel und verrät auch das Rezept: Leinöl und Venezianer Terpentin. Der Clou aber ist der Fußboden. Das mit reichen Verzierungen geschmückte Meisterwerk der Gebrüder Spindler sei der „prachtvollste Holzfußboden im ganzen Schloss“, sagt Michael Wirth schwärmerisch. Der Möbel- und Holzrestaurator und sein Team haben lange gerätselt, wie sie die Kostbarkeit wiederherstellen können, ohne dass sie anschließend von zahllosen Besucherschuhen wieder hingehunzt wird. Die Lösung: Über dem originalen Boden wird nach dessen Restaurierung ein Duplikat verlegt, eine genaue Kopie aus Ahorn, Ebenholz und Amaranth. Fast 100 000 Euro wird das kosten.

Während im „Tassenkopf“ noch viel zu tun ist, sieht das Untere Konzertzimmer seiner Fertigstellung entgegen. Vier der fünf großen Wandgemälde, die Szenen aus Ovids „Metamorphosen“ zeigen, haben die Gemälderestauratoren um ihre Chefin Bärbel Jackisch wieder aufpoliert. 25 Jahre lang hatten die Bilder im Lager gelegen, in einem „sehr schlechten Zustand“. Das letzte Gemälde veranschaulicht den Aufwand, der getrieben werden musste: Die Farben waren so spröde geworden, dass schon Stücke herausgebrochen waren. „Schollig“ nennt Jackisch diesen Zustand. Der Trick: Die Oberfläche wird mit einem Spezialleim bestrichen, der die Farbe wieder elastisch macht, dann wird sie behutsam und bei etwa 50 Grad Celsius „aufgebügelt“. Dann können die Schadstellen ausgebessert werden. Vor allem aber freut Jackisch, dass endlich klar ist, von wem die Bilder stammen – nahezu sicher nämlich von Jacob van Schuppen, der von 1670 bis 1751 lebte und Hofmaler in Wien war. Ein Besuch des Gemäldekustos’ der Schlösserstiftung im Wiener Palais Lobkowitz brachte das offenbar zufällig ans Licht. „Maltechnik, Stilistik, Material – das passt alles“, sagt Jackisch.

Im letzten der vier Räume sieht man derzeit, dass auch ein Schloss nur nach außen glänzt. Im Tressenzimmer, an zwei Wänden seines prächtigen Wandschmucks beraubt, fällt der Blick auf profane Kiefernbretter. Die originale Wandbespannung aus Seidendamast liegt zwei Stockwerke höher, in den Gemächern der Textilrestaurierung, auf einem Tapeziertisch. Die Kostbarkeit stammt als einzige von zweien im ganzen Schloss noch aus Friedrichs Zeiten. Der zerschlissene und verblichene Stoff, besetzt mit Goldtressen, wird mit einer zweiten Stoffbahn unterfüttert und stabilisiert. Doch Chefrestauratorin Christa Zitzmann möchte auch die verlorengegangenen Vorhänge und Möbelbespannungen wieder ersetzen – was teuer ist. Nur noch einen Tressenweber gebe es in Europa, der das kann, sagt sie. Doch der Auftrag müsse jetzt erteilt werden, damit wenigstens die Hälfte bis zum Friedrich-Jubiläum im kommenden Jahr fertig ist.

Verena Göttel ist ungeachtet der Schwierigkeiten sicher, dass das Fürstenquartier rechtzeitig zur großen Friedrich-Ausstellung im alten Glanz erstrahlt. „Wir schaffen das.“

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