Aus dem GERICHTSSAAL: Im Vollrausch junge Mutter verängstigt
Vier Jahre Bewährung für Alkoholiker
Stand:
„Ich ekle mich vor mir selber“, bekannte Ralf R.* (41) am ersten Verhandlungstag. Auch gestern in seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung versicherte der Alkoholiker reumütig, wie leid es ihm tue, die ihm fremde Karina K.* (31) am 15. September 2005 in panische Angst versetzt zu haben. An jenem Tag habe er sich mit seiner Partnerin gestritten, erst zu Hause, danach in zwei Gaststätten Bier getrunken, so Ralf R. vor Gericht. Wie er in die Pappelallee kam, warum er einem hier geparkten Auto einen Tritt versetzte, ein Motorrad umkippte, Karina K. als Schlampe beschimpfte, ihr gar drohte, sich ihren kleinen Sohn zu holen, wusste der Arbeitslose nicht mehr. Er besaß auch keine Erinnerung daran, dass er dem später dazu kommenden Lebensgefährten der jungen Mutter offenbarte, er werde ihm die Frau wegnehmen, einen Holzpflock durch ein geschlossenes Fenster der Wohnung schleuderte und die zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten angriff (PNN berichteten).
Karina K. trat im Prozess als Nebenklägerin auf. Ihre Aussage am ersten Verhandlungstag kostete sie viel Kraft. Noch heute befindet sie sich in psychologischer Behandlung, konnte es kaum ertragen, den Angeklagten anzuschauen. „Eigentlich weiß ich gar nicht so richtig, ob ich mir wünsche, dass er ins Gefängnis kommt“, sagte sie gestern in einer Verhandlungspause. „Vielleicht weiß er wirklich nicht mehr, was er gemacht hat.“ Davon ging auch der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer aus. Ralf R. hatte zur Tatzeit einen Blutalkoholpegel von 3,5 Promille. Dies lasse auf einen Vollrausch schließen. Er könne deshalb nicht für die von ihm begangenen Delikte – Bedrohung, Sachbeschädigung im Wert von rund 1800 Euro, Widerstand gegen Polizeibeamte sowie Körperverletzung – bestraft werden, da es während deren Begehung an seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit fehlte. Allerdings solle der zahlreich Vorbestrafte wegen vorsätzlichen Vollrausches eine Haftstrafe von acht Monaten antreten. „Sie wissen, dass Sie unter Alkohol Straftaten begehen. Sie sind mehrfach einschlägig vorbestraft. Wenn Sie zum x-ten Mal Bewährung bekommen, macht sich die Justiz unglaubwürdig“, so der Ankläger.
Der Verteidiger plädierte für eine letzte Chance. Er verwies auf die gefestigte familiäre Situation seines Mandanten, dessen Teilnahme an einer ambulanten Drogentherapie und die Bereitschaft, an Karina K. „Schmerzensgeld“ für die erlittenen psychischen Beeinträchtigungen zu zahlen. Das Gericht setzte die von der Staatsanwaltschaft beantragten acht Monate zu vierjähriger Bewährung aus. Ralf R. muss 700 Euro an Karina K. überweisen und sich einer längerfristigen Alkoholentwöhnungskur unterziehen. (*Namen geändert.) Hoga
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