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Sport: Im Zweifel verzweifeln

Es gibt nur eine Gewissheit: Hartha hat versagt. Aber warum? Die Probleme liegen tief verborgen

Stand:

Berlin - Peter Niemeyer war fertig und hatte sich schon auf sein Fahrrad geschwungen, da radelte er noch einmal heran. „Eine positive Sache ist mir doch eingefallen zum Spiel“, sagte der Kapitän von Hertha BSC, der sich zuvor ziemlich schwer getan hatte, Worte zum Pokal-Aus in Worms zu finden. „Dass Maik Franz wieder dabei ist.“

Das Comeback des Langzeitverletzten, mehr Positives gab es nicht. Nach dem Auslaufen am Montag, dass eigentlich ein Ausradeln war, fiel den Hertha-Profis wenig ein zum 1:2 am Vortag bei den Amateuren von Wormatia Worms. „Ich habe lange überlegt, was ich sagen soll, ob es überhaupt angebracht ist, Erklärungen und Ausflüchte zu suchen“, sagte Niemeyer. Immer wieder starrte er nach Fragen lange ratlos zu Boden, dann sagte er. „Wir sind die, die es verbockt haben, wir sind die, die es wieder richten müssen.“

Darin, dass es die Mannschaft war, die versagt hatte, waren sich alle einig. Auch die Spieler, die bei jeder Antwort herumschlichen um die Angst, ihre Aussagen könnten wie Ausreden klingen. „Die Hitze hatten beide Mannschaften, auch den stumpfen Platz, der katastrophal war“, sagte Sandro Wagner, der sich über sein erstes Hertha-Tor „natürlich nicht“ freuen konnte. „Es gibt keine Entschuldigung, nur das Spiel Freitag“, sagte Maik Franz. Der Wiedergenesene schien wie alle froh zu sein, dass der nächste Auftritt gegen Jahn Regensburg schon bald bevorsteht.

Aber ist das Ligaspiel im Olympiastadion tatsächlich etwas, auf dass man sich freuen kann? Die Verfassung, in der sich das Team zum zweiten Mal in Folge präsentierte, ließ Zweifel am Grundsätzlichen aufkommen. An der richtigen Einstellung. Der Qualität. Dem Ziel Aufstieg.

Niemeyer rang gerade um Erklärungen, als ein Radfahrer, nicht Fußballprofi, sondern Rentner, sich dazugesellte und schimpfte, die Profis sollten sich schämen. „Wenn man die Spieler vom Berliner AK sieht und dann euch...“ Niemeyer versuchte den Mann mit leisten Worten zu beruhigen. „Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass jeder bei uns will“, sagte er. Und: „Ich bescheinige uns die Qualität.“

Wenn es aber weder am Willen liegt noch an der Qualität – woran dann? Manager Michael Preetz hatte von unbewältigten Negativerlebnissen gesprochen. Bei Hertha besteht ohnehin der Eindruck, dass die vergangene Saison mehr verdrängt denn bewältigt wurde. Zu oft entscheiden sich die Spieler im Zweifel fürs Verzweifeln. „Man muss kein Psychologe sein, um zu wissen, dass es nicht einfach ist, wenn du eine Negativserie hast“, sagte Niemeyer, nannte aber nur die drei sieglosen Spiele dieser Saison. „Die Euphorie, die wir in der Vorbereitung erzeugt haben, ist erst einmal dahin.“ Welche er auch immer damit meinte. „Ein Abstieg ist nicht so einfach aus dem Kopf zu kriegen“, sagte Wagner, der aus Kaiserslautern da seine eigenen Erfahrungen mitgebracht hat. „Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Mannschaft gehemmt ist.“

Oder ist die Mannschaft schlichtweg falsch zusammengestellt? Für vier Offensivpositionen gibt es zwölf Spieler im Kader, aber keinen, der bisher zeigen konnte, dass er das Spiel ordnen kann. Und nur einen gelernten rechten Außenverteidiger. Alfredo Morales machte beim zweiten Gegentor eine ebenso schlechte Figur wie Aushilfsverteidiger Marcel Ndjeng in der ersten Halbzeit. „Er wartet da auf den Gegenspieler, statt zum Ball zu gehen“, sagte Trainer Jos Luhukay. „Aber junge Spieler dürfen auch Fehler machen.“

Viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs durften in dieser Saison heran, nachhaltig überzeugen konnte keiner. „Für mich sind das keine Talente mehr“, sagte Niemeyer. „Wer ins kalte Wasser geworfen wird, muss seinen Mann stehen.“

Bisher durfte bei Hertha viele verschiedene Männer ihren Mann stehen, aber nie die elf gleichen. „Eine eingespielte Truppe spielt besser, aber durch Sperren ging das eben nicht“, sagte Niemeyer.

Insgesamt hapert es an der Zusammenarbeit in der Mannschaft – auch am Zusammenhalt? „Wir müssen als Kollektiv besser agieren“, sagte Wagner, „wenn einer den Ball verliert, müssen ihn die anderen wiederholen.“ Auf dem Feld motzten einige Richtung ihrer Mitspieler. „Wir haben uns gegenseitig motiviert, versucht uns heiß zu machen, trotz 37 Grad“, sagte Franz, der es Unsinn nannte, dass die Spieler den Kopf hätten hängen lassen. „Wir verstehen uns gut“, betonte Niemeyer. Viele Ansätze, aber was bringt Besserung? „Ein Erfolgserlebnis würde uns enorm weiterhelfen“, sagte Niemeyer. Ob das reicht, um alle Zweifel zu beseitigen?D. B.

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