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Zukunftsweisend. Aus Biomasse machen Forscher Braun- oder Holzkohle.

© ATB

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Hoffnungsträger Biokohle: Potsdamer Agrarforscher untersuchen, ob sich das Verfahren als Boden- und Klimaretter eignet

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Das Jahr 2012 ist vom Bundesforschungsministerium zum Themenjahr „Zukunftsprojekt Erde“ benannt worden. Nachhaltige Entwicklung steht dabei im Fokus. In den PNN stellen Wissenschaftler verschiedener Potsdamer Institute ihre Arbeit dazu vor.

Klimawandel, Ressourcenverknappung, Bevölkerungswachstum – für die Landwirtschaft sind diese globalen Themen enorme Herausforderungen. Es gilt, künftig nicht nur effizient und klimafreundlich mehr Lebensmittel zu erzeugen, sondern auch zunehmend nachwachsende Rohstoffe und Reststoffe wie Stroh, Grünschnitt oder Abfälle aus der Lebensmittelproduktion für den Ersatz fossiler Rohstoffe und Energieträger nutzbar zu machen. Bereits jetzt ist mit zunehmender Biomasseabfuhr von den Ackerflächen ein Verlust an Humus verbunden.

Um dem damit einhergehenden Verlust an Bodenfruchtbarkeit entgegenzuwirken, muss dem Boden wieder Kohlenstoff zugeführt werden. Wie bei der vor Jahrhunderten von Menschen geschaffenen amazonischen Terra Preta kann dies durch den Einsatz biologisch stabiler Holzkohle sehr nachhaltig geschehen. Dieses Verfahren gilt es in die heutige Zeit zu übertragen, indem Biomasse in einem technischen Prozess karbonisiert und damit in eine dauerstabile Form überführt wird, bevor sie in den Boden eingebracht wird. Bei der Karbonisierung wird Biomasse bei erhöhten Temperaturen unter Sauerstoffabschluss verkohlt. Ergebnis ist ein braunkohle- oder holzkohleartiges Produkt.

Biokohle besitzt aufgrund ihrer großen Oberfläche eine sehr gute Nährstoff- und Wasserhaltefähigkeit. Zudem bindet verkohlte Biomasse den zuvor beim pflanzlichen Wachstum der Atmosphäre entzogenen Luftkohlenstoff dauerhaft. Das Potenzial der Biokohle wird deutlich: Unfruchtbare und degradierte Böden nachhaltig für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, Kohlenstoffsenken zu schaffen und damit die Chance, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Am Ende steht die Aussicht, neben der Produktion von Biogas und regenerativen Strom eine echte Kohlenstoffsenke, also ein Art Reservoir, in der Landwirtschaft zu etablieren und zu einer CO2-negativen Bioökonomie beizutragen.

Dieses Potenzial von Biokohle nachhaltig nutzbar zu machen, ist für das Potsdamer Leibniz-Institut für Agrartechnik (ATB) eine zentrale Aufgabe. Bekannt ist, dass der Einsatz von einfacher Biokohle in Böden durch unerwünschte Begleitstoffe der Kohleherstellung auch negative Effekte hervorrufen kann. Die Forschungstätigkeiten am ATB beschränken sich daher nicht auf die bloße technische Biokohleproduktion. Vielmehr konzentrieren wir uns unter anderem darauf, eine Biokohle mit optimalen Eigenschaften zu „designen“ und die Wirkung für Boden und Klima zu bewerten. Die hergestellte Kohle muss nicht nur für den Boden verträglich sein, sondern dessen Eigenschaften deutlich verbessern – und das nachhaltig. Erst wenn dies erreicht wird, entsteht der erhoffte Mehrwert.

Seit 2009 verfolgt ein 20-köpfiges Team am ATB einen vielversprechenden Ansatz für eine innovative Biomassenutzung: Wie lassen sich biotechnologische und thermische Prozesse zu einem effizienten Gesamtverfahren kombinieren, das sowohl Biokohle als auch erneuerbare Energie liefert? Für diesen Ansatz werden strukturreiche Gärreste aus der Biogaserzeugung in einem weiteren Schritt zu Biokohle verarbeitet. Wirtschaftlichkeit und Klimabeitrag der kombinierten Erzeugung von Biogas und Biokohle steigen mit der Effizienz der einzelnen Verfahren. Daher kommt am ATB für die Biogasproduktion aus strukturreichen Pflanzenmaterial wie Stroh ein leistungsfähiges Reaktorsystem zum Einsatz, das sich durch hohe Produktivität und Energieeffizienz auszeichnet. Auch an einem geeigneten Karbonisierungsverfahren wird gefeilt. Es muss in der Lage sein, die feuchten Gärreste effizient in eine maßgeschneiderte Biokohle zu wandeln.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Reststoffe aus der Biogasanlage sehr gut in Biokohle wandeln lassen. Eine gezielte biologische Nachbehandlung hilft, Schadstoffe abzubauen, Oberflächen der Kohle zu funktionalisieren und – quasi nebenbei – wertvolles Biomethan zu erzeugen. Topf- und Feldversuche zeigen, dass sich damit auch die Pflanzenwirkung der Biokohle verbessern lässt.

Die Forschung steht noch am Anfang. Dennoch steht bereits jetzt fest: Das Potenzial ist immens und das weltweite Interesse an der Technologie steigt. Das ATB ist mit einem großen interdisziplinären Forscherteam und mit zahlreichen Projekten stark in der Biokohleforschung vernetzt. Für die globale Anwendung ist eine breite und vertiefte Wissensbasis nötig.

Aus diesem Grund plant das ATB mit einer Sommerschule zu diesem Themenbereich eine Plattform zur Vernetzung, Vertiefung und zum interdisziplinären Dialog anzubieten. Die „1st International Biochar Summer School” wird vom 9. bis 16. September 2012 unter dem Titel „bio:char-crossroads“ in Potsdam stattfinden (www.atb-potsdam.de/biocharsummerschool2012).

Dr. Jan Mumme leitet die Nachwuchswissenschaftlergruppe APECS am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e.V. (ATB) www.atb-potsdam.de/apecs

Jan Mumme

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