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Landeshauptstadt: Immer am Bahndamm entlang

Gartenverein Am Kaiserbahnhof verdankt sein Entstehen dem Höherlegen der Eisenbahntrasse

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Gartenverein Am Kaiserbahnhof verdankt sein Entstehen dem Höherlegen der Eisenbahntrasse Von Erhart Hohenstein Im Garten von Peter Worbes werden die letzten Zweifel zerstreut, dass die Sparte „Am Kaiserbahnhof“ mit der Eisenbahn zu tun hat. Eine Weichenleuchte weist den Weg zur Laube, in der der Gast auf einer hölzernen S-Bahnbank Platz nehmen kann. Zur Toilette führt die Tür eines alten preußischen Personenwaggons. Ein Schild fordert dazu auf, Verschmutzer zur Anzeige zu bringen. Nur Westbierbüchsen, die früher aus den Interzonenzügen den Bahndamn hinunter in die Gärten flogen, hat der Vereinsvorsitzende nicht aufgehoben. „Die waren ja auch alle leer.“ Worbes stammt selbst aus einer Eisenbahnerfamilie und ist auf dem Bahnhof aufgewachsen. Auch sein Studienberuf Schienenfahrzeugbauer korrespondiert damit. Als das Karl-Marx-Werk keine Loks mehr baute, musste er allerdings den Beruf wechseln und ging zur technischen Überwachung, wo Hockdruckkessel sein Spezialgebiet wurden. Der Reichsbahn-Gartenverein verdankt sein Entstehen der Höherlegung des Damms der Berlin-Magdeburger Eisenbahn 1903 - 1905. Die ebenerdigen Gleise blieben zunächst liegen, um während der Bauzeit den Verkehr zu gewährleisten. Als sie später abgebaut wurden, entstanden entlang des Damms lauter schmale Streifen Land, mit denen kaum etwas anzufangen war. In der Notzeit des Ersten Weltkrieges wurden sie in Kleingärten verwandelt, manche hatten nur eine Breite von fünf Metern. Diese ungewöhnlichen Anlagen, die mal aus zwei, mal aus acht oder zehn Parzellen befanden, fand man u.a. im Gleisdreieck am Werderschen Weg, am Schafgraben bis in Höhe des Kinos „Melodie“, am Schillerplatz, an der Planitzinsel, ja sogar auf einem Streifen an der Babelsberger Rudolf-Breitscheid-Straße. Manche sind nach der „Wende“ aufgegeben worden, haben Wanderwegen Platz gemacht, und auch die neugebaute Kegelbahn der früheren Mitropa-Gaststätte am Bahnhof Charlottenhof steht auf ehemaligen Kleingartenland. 124 Parzellen des 1917 gegründeten Vereins sind übrig geblieben und trotz des einheitlichen Namens „Am Kaiserbahnhof“ entlang des Bahndamms über das ganze Stadtgebiet verstreut. Der Vorstand müsste kilometerweite Wege gehen, um all die Vereinsmitglieder aufzusuchen. Deshalb hat er für die einzelnen Bereiche sechs „Obmänner“ eingesetzt, wie sie nach altem Brauch heißen. Für einige handtuchbreite Streifen sind auch Kompromisse notwendig, was die geforderte kleingärtnerische Nutzung betrifft. Schwierig gestaltet sich angesichts der Zersplitterung das Vereinsleben, die Festwiese am Kaiserbahnhof dient inzwischen als Parkplatz. Doch im Abstand von einigen Jahren wird nach der Mitgliederversammlung schon mal gefeiert, so 1997 das 80-jährige Bestehen im „Katharinenholz“. Nach der deutschen Wiedervereinigung hat sich der Verein nicht dem „Eisenbahnlandwirtschaftsverein“ unterstellt, der auch für die Bahngartenflächen zuständig ist. Er begab sich vielmehr unter das Dach des Kreisverbandes der Garten und Siedlerfreunde (VGS), der Schutz vor den damaligen Bebauungsplänen am Kaiserbahnhof bot und mit der Bahn auch die Pachtverhältnisse regeln half. Mit der Deutschen Bahn AG will der Vorstand nun noch über die Mitfinanzierung der Außenzäune reden, den sie fallen unter deren Sicherungspflicht, und über die Waldbäume, die einst als Abgrenzung gepflanzt wurden, nun aber aus Kleingartenanlagen entfernt werden sollen

Erhart Hohenstein

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